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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Autoren: Claus Hipp
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das man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.“ Jede Religion, jede spirituelle oder philosophische Lehre, die Menschen je ersonnen haben, kennt eine Version dieser Regel. In der Bergpredigt (Mt 7,12) formuliert Jesus sie so: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden. (…) Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“
    Welche Formulierung, welche gedankliche Ausprägung und genaue Begründung der Goldenen Regel jeder Einzelne auch immer für sich wählen mag – die Regel selbst kann schlechterdings nicht bestritten werden. Die Zustimmung zu ihr ist auch nicht von anderen Überzeugungen, von Religionszugehörigkeit, Weltanschauung oder Lebenslage abhängig. Sie gilt für den Gläubigen ebenso wie für den Agnostiker oder den Atheisten, für den Mächtigen wie für den Schwachen, für den Milliardär und den armen Schlucker. Selbst wer dem nackten Recht des Stärkeren huldigt, kann die Goldene Regel nur mithilfe eines geistigen Selbstbetrugs bestreiten: Er sieht sich selbst aufgrund höherer Fügung in jener Position der Überlegenheit, die er in Wahrheit bloß einer Anzahl von Zufällen verdankt. Der Sozialdarwinist formuliert damit sozusagen die Spielregeln des Lebens, nachdem die Mannschaften aufgestellt und die Seitenwahlvollzogen wurden. Nur weil das in Einzelfällen Vorteile verschaffen kann, ist dieser Irrtum unausrottbar.
    Mit der Goldenen Regel setzt der Mensch sich in ein angemessenes Verhältnis zu sich selbst und zum Mitmenschen, nämlich in eines von gegenseitigem Respekt und Achtung. Mit der Einsicht in die grundsätzliche Fehlbarkeit seines Denkens und Handelns setzt sich der Mensch dagegen in ein angemessenes Verhältnis zur Welt als Ganzem. Er fügt sich in die Einsicht, dass er die Welt, in der er lebt, nicht selbst geschaffen hat; dass seine Erkenntnisse betreffs ihres Ursprungs, ihres Sinns und ihres Ziels sowie der Gesetze des Weltenlaufs niemals vollständig und niemals unbestreitbar wahr sein können. Beides zusammen führt letztlich zu einer Haltung der Demut und Selbstbescheidung. Anders als manche Zyniker meinen, hat Demut nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, sondern mit Bescheidenheit und Respekt – Respekt vor dem Nächsten und Respekt vor der Schöpfung.
Mein Glaube – Wo die Gefahr ihren Schrecken verliert
    Das gesamte Fundament all meiner Überzeugungen, Haltungen und Ideen ist für mich persönlich mein Glaube. Wohl umfasst mein Glaube als katholischer Christ eine ganze Reihe von Lehren und Überzeugungen, von lebenspraktischen Regeln und kultischen Gebräuchen, die über die eben beschriebene Grundhaltung hinausweisen. Aber die Ecksteine des Fundaments sind eben jene: Respekt vor dem Mitmenschen und Respekt vor der Schöpfung. Aus dieser Haltung heraus kann ich zugleich jedem begegnen, der andere, darunter durchaus auch zentrale Glaubensgewissheiten nicht mit mir teilt.
    Würde ich die Lehren oder Gebote meiner Religion, des römisch-katholischen Christentums, gar noch ihre äußeren Formen absolut setzen, wäre ich bloß noch ein Fanatiker. Die Erfüllung formaler Vorschriften wäre mir dann wichtiger als deren Sinn. Fanatismus jedoch ist das Ende jeder lebendigenReligion. Gerade in Fragen der äußeren Form ist mir der Geist wichtig, in dem sie geübt werden. Unbeschadet der Tatsache, dass die katholische Verwurzelung der Eigentümerfamilie jedem bekannt ist, arbeiten in unserem Unternehmen natürlich viele Menschen, die eher „religiös unmusikalisch“ sind. Ebenso Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, aufgrund unseres recht hohen Anteils türkischstämmiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem viele Muslime.
    Zu den Sitten und Gebräuchen unseres Unternehmens gehört es unter anderem, dass im Empfangsbereich der Verwaltung, in jedem größeren Büro sowie in den Werkshallen ein Kruzifix hängt. Ebenso wie wir nicht nur Weihnachten im Unternehmen feiern, sondern auch am Dreikönigstag die Räume räuchern und die Segensformel „C+M+B“ („Christus mansionem benedicat“ – „Christus segne dieses Haus“) über viele Türen schreiben lassen. Immer wieder frage ich muslimische Mitarbeiter, ob sie solche christlichen Symbole und Riten stören, gar in ihren eigenen religiösen Gefühlen verletzen. Und immer wieder nehme ich angenehm erstaunt zur Kenntnis, wenn mir versichert wird, dass das schiere Gegenteil der Fall sei. Zwar teile
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