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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Autoren: Claus Hipp
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einstehen. Aber niemand wird ihn mir abhandeln können. Er hat für mich eine höhere Wahrheit.
    Nicht wenige Menschen halten den Gläubigen wegen seines „Drahtes nach oben“ ja schnell für selbstgerecht. Und sicher finden sich immer auch Gläubige, die für diese Ansicht hübsche Beispiele liefern. Doch wahrer Glaube hat mit der triumphalen Gewissheit, es am Ende besser zu wissen, gar besser zu haben, nichts zu tun. Glaube macht stark, aber bescheiden. Wohl lässt er mich meine Grenzen erkennen . Auf das Höhere jenseits dieser Grenzen muss ich dagegen vertrauen . Doch vertrauen kann ich nicht einmal anderen Menschen, wenn ich mich selbst für besser oder weiser halte als sie. Wie sollte das also gegenüber Gott funktionieren?
    Eine der für mich zugleich berührendsten und tiefgründigsten Passagen der Bibel findet sich im 18. Kapitel des Evangeliumsnach Johannes, das von Jesu Verhör durch Pontius Pilatus berichtet. Dem Statthalter war von den Hohepriestern gesagt worden, Jesus beanspruche, der König der Juden zu sein. Ein durchaus raffinierter Vorwurf, könnte er damit doch zugleich die römische Vormacht in Palästina infrage stellen. Doch Jesus antwortet Pilatus:
    Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?
    Nun wäre es ja ein Leichtes für den Evangelisten gewesen, Pilatus an dieser Stelle als den zynischen und rücksichtslosen Machtmenschen vorzuführen, der er tatsächlich wohl war. Und der ja am Ende auch im Evangelienbericht aus Sorge vor einer Rebellion der aufgepeitschten Menge einknickt. Stattdessen aber bringt Johannes Pilatus für einen Moment sozusagen auf Augenhöhe mit Jesus. Der bestreitet zunächst jede weltliche Ambition, nimmt dann aber eine offenbar höhere Wahrheit für sich in Anspruch. Nahe liegender Weise könnte Pilatus ihn nun fragen: Und welche Art von Wahrheit soll das sein? Worauf Jesus bekennen könnte, dass er Gottes Sohn sei – was der Polytheist Pilatus aber kaum angemessen verstehen würde. Oder Jesus könnte einige seiner Kernaussagen wiederholen, die wir zuvor beim Evangelisten nachlesen konnten, und die der Römer dann im Einzelnen be- oder verurteilen müsste.
    Doch weder Pilatus noch Jesus zeigen sich an einem solchen äußerlichen Meinungsstreit interessiert. Auch Jesus sagt ja von sich aus nicht: Dies oder jenes ist meine Lehre. Er sagt schlicht, dass er – und zwar bereits im Angesicht des Kreuzes – für „die Wahrheit Zeugnis ablege“.
    Hinter der scheinbar so schlichten Frage des Pilatus steckt denn auch etwas weit Größeres als kriminalistische Neugier („Behauptest Du etwas, das ich als Machthaber nicht dulden kann?“), philosophische Skepsis („Wer kennt schon die Wahrheit?“) oder Ratlosigkeit, was er mit dem Angeklagten machen soll („Wie lautet denn nun der Vorwurf gegen diesen Mann?“). All das klingt an, ist aber nicht der Kern der Frage. Liest man den Text genau, dann fragt Pilatus auch gar nicht Jesus, was Wahrheit sei. Er fragt es sich selbst.
    Und damit lautet seine Frage eigentlich: Wie kann sich jemand seiner Sache so sicher sein, dass er bereit ist für sie zu sterben? Weiß dieser Mann etwas, das ich nicht weiß? Und wie könnte ich zu diesem Wissen – besser: zu dieser Gewissheit – Zugang erlangen? So nimmt der Dialog Jesu mit Pilatus die bekräftigende Schlusswendung des Evangeliums vorweg: „Dieser Jünger ist es, der all das bezeugt und der es aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.“ Dies sagen zu können, fußt gerade nicht auf einer Haltung des Rechthabens. Es fußt auf dem eben so unerschütterlichen wie logisch unbeweisbaren Glauben, dass Gottes Sohn zur Vergebung unserer Sünden sein Leben hingegeben hat. Wen solcher Glaube hochmütig, selbstgerecht oder auch nur allzu selbstsicher macht, der hat etwas falsch verstanden.
    Jeder religiöse Mensch – egal, ob Christ, Moslem, Jude oder Angehöriger einer anderen Religion – wird sein irdisches Handeln unter einem höheren Gesichtspunkt betrachten. Denn was bliebe, wenn wir nur an irdische Dinge glaubten? Die Antwort
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