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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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die Todesstrafe nach
wie vor verhängt werden, aber sie wurde seit 1939 nicht mehr
vollstreckt. Tatsächlich nutzt man die Todeszelle inzwischen als Lagerraum für
Matratzen, und da, wo früher der Galgen stand, hat der Gefängnisgeistliche sein
Büro.
    Um mein Buch schreiben zu können, kam ich
natürlich nicht umhin, mir selbst einen Eindruck von einem Todestrakt zu verschaffen,
also vereinbarte ich einen Besuch in einer Strafanstalt in Arizona, um
persönlich mit einem Todeskandidaten zu sprechen. Noch während ich im Flugzeug
saß, wurde meine Besuchserlaubnis widerrufen - offenbar war die
Gefängnisleitung zu dem Schluss gelangt, dass ich die falsche Sorte Öffentlichkeit
war. Schließlich, nach einigem Schmeicheln und Versprechungen, wurde mir dann
aber doch eine Besichtigung des Todestraktes erlaubt.
    Ehrlich gesagt, wenn alles normal läuft,
ist es dort ziemlich ereignislos. Die Gefangenen sind 23 Stunden am Tag eingesperrt,
in Einzelzellen. Daher bat ich darum, mir den Exekutionsbereich ansehen zu
dürfen, der in Arizona »Death House« genannt wird und aus einer Gaskammer und
einem Raum für die tödliche Injektion besteht. Beide waren blitzsauber. Als
ich an dem Mikrofonschalter draußen an der Gaskammer herumspielte, kam eine
Frau zu mir und fragte, was ich da mache. Ich erwiderte, ein Aufseher habe
mich hergebracht, und erklärte, was er mir über den Todestrakt erzählt hatte.
    Sie verschränkte die Arme. »Ich wünschte,
er hätte Ihnen das nicht erzählt«, sagte sie. »Ganz so ist das nämlich nicht.«
    »Na, vielleicht könnte ich dann mit Ihnen
reden«, sagte ich, da sie doch offenbar wusste, wie es in Wahrheit war.
    Wie sich herausstellte, war sie die
Gefängnisdirektorin. Ich fragte sie, ob sie schon für die Durchführung einer
Hinrichtung verantwortlich gewesen sei, und sie bejahte. Dann wollte ich wissen,
ob sie schon bei einer Hinrichtung dabei gewesen sei, ohne für deren korrekten
Ablauf verantwortlich zu sein. Sie sah mich an und sagte: »Das ist eine sehr
persönliche Frage.«
    Ich erwiderte ihren Blick. »Stimmt.«
    Schließlich erzählte sie mir von Debra
Milke, einer Frau, die ihrem vier Jahre alten Sohn erzählt hatte, sie würden
einen kleinen Ausflug machen. Er hatte sein Halloween-Kostüm angezogen, und
sie war mit ihm in die Wüste gefahren, wo bereits die Killer warteten, die sie
beauftragt hatte, ihren Sohn zu töten, damit sie das Geld von der Versicherung
kassieren konnte. Sie wurde zum Tode verurteilt. Nach der Urteilsverkündung
wandte sie sich an die Gefängnisdirektorin: Niemand aus ihrer Familie spreche
noch mit ihr. Sie bat die Direktorin, doch zu ihrer Hinrichtung zu kommen,
wenn es so weit war.
    Die Direktorin versprach es - nicht weil
sie Milke für unschuldig hielt, sondern weil sie selbst katholisch war und
jemand für die Seele der Verurteilten beten musste.
    »Sie sind katholisch?«, fragte ich
überrascht. »Und Sie stehen hinter der Todesstrafe?«
    Sie zögerte und sagte dann: »Früher ja.«
Dann wandte sie sich an ihren Assistenten und bat ihn, eine Mappe von ihrem
Schreibtisch zu holen. Der Mann kam mit einem dicken Ordner zurück, der die
Statuten und Vorschriften enthielt, nach denen eine Hinrichtung in Arizona zu
erfolgen hat. Es handelt sich dabei um ein juristisches Dokument, das nur sehr
wenige Menschen je zu Gesicht bekommen haben. Die meisten Todeskandidaten versuchen,
über den Klageweg eine Kopie davon zu bekommen, aber meistens vergeblich. Die
Direktorin begann, mir aus den Statuten vorzulesen. Sie enthalten Anweisungen
für die Durchführung von Probeläufen vor der Hinrichtung und dazu, wie am Tag
der Vollstreckung alles zeitlich so abgestimmt wird, dass es innerhalb der
Strafanstalt nicht zu einer Begegnung zwischen Angehörigen des Opfers und
Angehörigen des Häftlings kommt. Sie informieren darüber, wie sich bei
schwierigen Fällen eine Vene für die tödliche Injektion finden läßt - zum Beispiel
zwischen den Zehen oder in der Leiste. Und sie bestimmen auch, welche Aufgabe
der Arzt bei der Vollstreckung hat - eine wesentlich aktivere, als der
Ärzteverband uns glauben machen möchte, der Hinrichtungen offiziell nicht
billigt. Doch obwohl der Name des Arztes auf dem Totenschein nicht auftaucht,
überprüft er die Infusion und überwacht den ganzen Ablauf. Und schließlich
erzählte die Direktorin mir, wie die eigentliche Hinrichtung erfolgt. Drei
Vollzugsbeamte fungieren als Henker, indem sie, durch eine Wand von dem
Todeskandidaten
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