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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Oberst von der Haagen. Die Herren standen vor einer hohen Rußlandkarte, die einen großen Teil der Breitwand des Zimmers einnahm. Mit einem Lineal bewies von der Haagen, welche Schwenkungen die Heeresgruppe Süd und die Heeresgruppe Mitte vollführen mußten, um in einer riesigen Zangenbewegung nach dem Fall von Stalingrad die kopflosen sowjetischen Armeen noch vor dem Ural abzufangen und aufzureiben.
    »Was dann kommt, meine Herren, ist nur ein Spaziergang«, schloß von der Haagen seinen strategischen Vortrag. »Vor uns liegt leeres Land … Im Norden die Tundra, in der Mitte die Taiga, im Süden die Steppen und Wüsten. Wir werden sie durchrollen wie früher der Transsibirische Expreß. Interessant wird es wieder bei Irkutsk. Aber Widerstand? Nee, meine Herren! Haben Sie schon mal 'nen Knaben mit Rückenmarkschwund Walzer tanzen sehen?!«
    Man lachte laut über diesen Witz. Oberst von der Haagen war doch ein charmanter Kerl. Wie er die Gedanken des Führers in Tatsachen umsetzte, das war gekonnt und beste alte Generalstabsschule. Nach dem verebbten Lärm von Anerkennung und Fröhlichkeit sah der Oberst auf die Uhr und winkte Dr. Körner zu.
    »Unser Hochzeiter, meine Herren! Steht da in der Ecke wie ein verwelkter Primelpott! Lieber Körner … Angst vor der Ehe? Was kann Ihnen schon passieren … liegen ja zweitausend Kilometer dazwischen!« Man lachte wieder und fand die Andeutung witzig-frech. »In zwanzig Minuten ist es soweit. Nehme an, daß Fräulein Braut schon im Standesamt I in Köln sitzt und den Stahlhelm ansieht, der neben ihr auf dem Stuhl liegt und den Ehemann symbolisiert. Ich schlage vor, meine Herren, wir gehen hinüber. Herr Pfarrer, alles bereit?«
    »Ja«, sagte Webern schlicht. »Gott ist immer bereit …«
    Oberst von der Hagen stutzte etwas. Eine passende Antwort fiel ihm so schnell nicht ein. Es war schwer, im Zusammenhang mit Gott witzig zu sein. Mit forschen Schritten ging er voraus, eine Ordonnanz riß die Tür des ›Trauzimmers‹ auf. Vor dem Tisch stand Knösel und steckte eine Kerze an. Oberst von der Haagen blieb auf der Schwelle stehen.
    »Wer ist denn dieser Neandertaler?«
    Knösel fuhr herum. Er hielt ein brennendes Streichholz in der Hand und knallte die Hacken zusammen.
    »Obergefreiter Schmidtke, 2. Kompanie, Infanterie-Regiment … Au, so'n Mist!« Er schüttelte die Hand. »Habe mich soeben verbrannt, Herr Oberst …«
    »Ordonnanz!« brüllte von der Haagen. »Wie kommt ein Halbaffe in diesen Raum?«
    »Er ist mein Fahrer.« Körner winkte Knösel. Der Obergefreite machte eine Kehrtwendung und marschierte an dem Oberst vorbei hinaus. »Ich wußte nicht, daß er eine Kerze organisiert hat. Er wollte mir eine Freude machen.«
    »Leute sind in der Armee – na ja, gehen wir!« Der Oberst sah wieder auf seine Uhr. »Gleich geht es in Köln los. Wir müssen das alles synchron machen, meine Herren, um den feierlichen Augenblick voll auszuschöpfen. In Stalingrad heiratet ein Kamerad. Im Angesicht des täglichen Todes, umgeben von einem mitleidlosen, brutalen, vertierten Feind, ehelicht er ein deutsches Mädchen, das über zweitausend Kilometer entfernt in Köln im gleichen Augenblick vor dem Standesbeamten steht, stolz und aufrecht, eine echte deutsche Maid, gewillt, nach dem Sieg unserer Truppen und dem Triumph des Führers über eine geifernde, feindliche Welt dem Vaterlande eine neue Mutter zu sein, eine treue Ehefrau, eine Trägerin heiligen germanischen Blutes …«
    Dr. Körner sah hinüber zu Pfarrer Webern. Sein Blick war groß, bittend und traurig. Unmerklich nickte ihm Webern zu und legte beide Hände über das goldene Kreuz, das er vor der Brust trug.
    Oberst von der Haagen sprach weiter. Mit glühendem Pathos, mit ehernen Worten, mit zukunftsträchtigen Visionen.
    Ab und zu blickte er schnell auf seine goldene Armbanduhr. Während der Rede klappte er die Ledermappe auf. Die Trauungsurkunde war schon vorbereitet, es fehlten nur noch das Datum und die Unterschriften. »In diesem Augenblick, lieber Kamerad Dr. Körner, vollzieht sich der ergreifende Akt der Werdung einer neuen deutschen Familie. Ihre Braut steht jetzt in Köln vor dem Standesbeamten, neben sich den symbolischen Stahlhelm, und wie sie in diesem Augenblick gefragt wird, frage ich nun Sie: Hans Ulrich Fritz Körner, wollen Sie die Marianne Erika Lieselotte Bader …«
    Das »Ja« Dr. Körners war gepreßt und durchzuckt von innerer Ergriffenheit. Er hatte die Augen dabei geschlossen und versuchte sich
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