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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kaljonin in einen Trupp Rotarmisten ein, der hinüberzog zum Bahnhof. Er winkte noch ein paarmal zurück, ehe er zwischen den Trümmerbergen verschwand.
    Zur gleichen Zeit marschierte auch Major Kubowski mit seinem neuen Bataillon zum ›Tennisschläger‹, und Assistenzarzt Dr. Körner kehrte mit Knösel aus Pitomnik zurück.
    Sie nützten wieder den Übergang von der Nacht zum Tag, jene bleiernen Stunden, in denen selbst über der Stadt Stalingrad so etwas wie eine Erschöpfung lag. Nur vereinzelt huschten Leuchtkugeln über den noch dunklen Himmel, fast zählbar tuckerten die sowjetischen Maschinengewehre, und eine einsame Batterie schoß über die Wolga hinüber und erinnerte daran, daß der ›Tennisschläger‹ noch immer in russischer Hand war.
    Dr. Körner hatte den Kopf nach hinten gelegt, auf die harte Kante des Sitzes. Er war müde. Im Offizierskasino von Pitomnik hatte man seine Hochzeit gefeiert. Sogar französischen Sekt hatte es gegeben und drei Büchsen getrüffelte Gänseleber. Als Körner die Köstlichkeiten aß und trank, mußte er sowohl an Marianne in Köln als auch an seinen Lazarettkeller denken, an die vier vollen Trichter mit Leichen, an die Reihen der Sterbenden und an die Gulaschsuppe, die man verschlang, wenn die Essenträger durchgekommen waren. Er schämte sich fast, Gänseleber zu essen und zu hören, wie der Oberst sagte: »Meine Herren – es wird nicht nur ein militärischer Sieg sein, dem wir entgegengehen, sondern auch ein Sieg der vollendeten rassischen Reinheit! Sehen wir uns doch die Iwans an – sie unterscheiden sich vom Deutschen wie ein Spatz vom Adler …«
    Nun döste Körner vor sich hin. Er hatte die Augen geschlossen und träumte sich nach Köln.
    Was wird Marianne jetzt tun, dachte er und lächelte. Sie wird vor seinem Bild sitzen und daran denken, wie schön es wäre, die erste Nacht als Ehepaar nicht nur in Gedanken zu erleben. Vielleicht aber saß sie schon wieder im Keller, und über ihr donnerten die Geschwader der englischen Maschinen, rauschten die Bomben in die Häuser und flammten Stadtteile in den Himmel. Vielleicht hatte sie ängstlich die Hände gefaltet und drückte sich in Todesangst an die Kellerwände … sie, die Mutter und der kleine Bruder Michael … drei zitternde Menschen, auf die die Faust der Gnadenlosigkeit herabhieb, ohne daß sie begriffen, warum.
    Dr. Körner zuckte hoch. Knösel kaute auf seinem Pfeifenstiel und schielte zur Seite.
    »Haben Sie in Pitomnik Nachrichten gehört, Knösel?« fragte Dr. Körner. »Den neuen Wehrmachtsbericht?«
    »Jawohl, Herr Assistenzarzt.«
    »Was Neues?«
    »Immer dasselbe, Heldenkampf in Stalingrad, an den anderen Fronten ebenso Scheiße.«
    »Und in der Heimat?«
    »Störangriffe, harmlos.«
    »Gott sei Dank.« Dr. Körner legte den Kopf wieder zurück und schloß die Augen. Er hatte das Empfinden großer Sehnsucht nach Wärme, nach einem fraulichen Körper, nach Liebkosung und Geborgenheit. Leise seufzte er und ließ sich wegschaukeln in einen unruhigen, oft unterbrochenen Halbschlaf.
    Die Aufräumungsarbeiten in der Lortzingstraße gestalteten sich beschwerlich. Nach dem unverhofften Tagesangriff der englischen Flieger, der so plötzlich kam, daß die Sirenen gleichzeitig mit dem Flakfeuer aufgellten und die ersten Bomben schon fielen, als die Kölner noch in die Keller und Bunker hasteten, bot die Lortzingstraße das Bild eines dampfenden Ruinenfeldes. Feuerwehr, OT , Technischer Hilfsdienst, Nachbarn, Polizei und Parteibeamte, Urlauber und soeben aus den Kellern Befreite durchwühlten die Trümmer der Häuser und gruben die Überlebenden aus.
    Es war kein großer Angriff gewesen; die wenigen Bomben waren so uninteressant, daß man später nur von Störangriffen sprechen würde. Die beiden Luftminen, die zusammen mit einigen hundert Stabbrandbomben auf die Lortzingstraße gefallen waren, stellten zwar für diesen Straßenzug eine Katastrophe, aber für das Großdeutsche Reich keine Beschwernis dar.
    Fast zwanzig Mann gruben auch den Keller des Hauses Lortzingstraße 23 in Köln aus. Es war von den Luftminen nicht direkt getroffen worden, nur die Druckwelle hatte die Hauswände umgeknickt und auf die Keller fallen lassen.
    »Wer wohnt hier?« fragte einer der Parteileute. Die Nachbarn wühlten sich weiter zum Kellereinstieg.
    »Die Familie Bader. Die Verbindung zum Nebenhaus ist auch verschüttet.«
    »Na, dann prost!« sagte der Parteimann und starrte auf die Trümmer. »Ob die Wühlerei noch Sinn
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