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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe
Autoren: Viktor Pelewin
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herüberzuschmuggeln mir geglückt war. Dieses Schillern kannte ich von Flussläufen im Frühlingssonnenlicht. Es blinkte darin in allen Farben. Und in dieses liebliche Licht konnte man hineingehen … Damit das Regenbogenschillern den ganzen Raum ringsumher flutete, musste ich den Feuerball der Liebe noch tiefer senken, noch hinter die Große Grenze, die sich beim Werfuchs in drei Zoll Entfernung von der Schweifwurzel befindet. Das ließ sich machen. Doch ahnte ich, in all den Strömen von Regenbogenlicht würde die winzige Stadt mit dem dort verbliebenen Alexander nachher nicht mehr wiederzufinden sein. Nein, wir sollten gemeinsam von hier aufbrechen, dachte ich. Was wäre unsere Liebe sonst wert gewesen? Und er war es doch, der mir den Schlüssel zum neuen Universum in die Hand gegeben hatte – ohne es zu wissen …
    Ich beschloss, ihm sofort davon zu berichten. Aufzustehen war allerdings gar nicht so einfach – nach der langen Zeit im Lotossitz waren meine Beine eingeschlafen. Ich wartete, bis der Blutkreislauf wieder in Gang gekommen war, kämpfte mich hoch und ging nach nebenan. Dort war es finster. »Alex!«, rief ich. »He! Alex? Wo steckst du?« Keine Reaktion. Ich ging ganz hinein, machte Licht. Er war nicht da. Auf der Holzkiste, die uns als Tisch diente, lag ein beschriebener Zettel. Ich nahm ihn zur Hand. Blinzelnd im grellen elektrischen Licht, las ich.
     
    Adèle!
    Es hat mir nichts ausgemacht, dass Du Dein wahres Alter geheimhältst, obwohl mir in letzter Zeit schon schwante, dass Du keine siebzehn mehr sein kannst – dafür bist Du einfach zu klug. Wer weiß, hab ich gedacht, vielleicht hat sie sich gut gehalten und ist in Wahrheit schon Mitte oder gar Ende zwanzig und hat Komplexe deswegen, wie die meisten Nutten in dem Alter. Auch darauf dass Du vielleicht schon über die dreißig weg bist, war ich gefasst. Womöglich hätte ich mich auch mit vierzig abgefunden. Aber tausendundzweihundert Jahre! Ich sage es Dir lieber gleich in aller Offenheit: Sex mit Dir zu haben kann ich mir nicht mehr vorstellen. Verzeih. Und ich verzeihe Dir den blinden Hund. Vielleicht bin ich ja wirklich blind im Vergleich zu Dir. Aber doch nicht ganz. Ab morgen gehe ich wieder arbeiten. Kann sein, dass ich diesen Entschluss noch mal bereue. Oder gar nicht mehr dazu komme, ihn zu bereuen. Doch wenn alles läuft wie geplant, werde ich als Erstes ein paar akute Fragen klären, die in unserer Abteilung anstehen. Anschließend werde ich zur Klärung der Fragen übergehen, die anderswo anstehen. Die wunderbare Kraft, die Du mir zum Geschenk gemacht hast, möchte ich in den Dienst des Vaterlands stellen. Hab vielen Dank dafür – im Namen unserer ganzen Organisation, der Du so voreingenommen gegenüberstehst. Und nochmals vielen Dank für all das Erstaunliche, das zu begreifen Du mir geholfen hast – wenn auch nicht restlos und nur vorübergehend, nicht wahr. Als meine Seelenverwandte werde ich Dich ewig lieben. Leb wohl für immer. Und danke auch, dass Du mich bis zuletzt immer Grauer genannt hast.
    SaschaTschorny 8
     
    »Mein Kopf eine dunkle Laterne mit eingeschlagenen Scheiben …« Ich erinnere mich sehr gut an diesen Moment. Fassungslosigkeit war es nicht. Ich hatte immer gewusst, dass ich ihn nicht ewig würde halten können, der Tag würde kommen. Dass es so wehtat, hatte ich nicht erwartet.
    Mein Mondkind! Traumtänzer! Tanze nur, tanze ruhig noch ein Weilchen weiter, dachte ich mit ergebener Zärtlichkeit. Wirst schon noch k!ug werden irgendwann. Schade nur, dass ich dir das Urgeheimnis nun nicht mehr verraten kann. Obwohl … Vielleicht schreibe ich dir ja auch einen Brief? Er wird freilich länger werden als deiner, und du musst ihn zu Ende lesen, wenn du wissen willst, was es war, das ich dir vor deinem Weggang nicht mehr sagen konnte. Vielleicht kann ich dir damit die Freiheit vergelten, die du mir, ohne es zu wissen, geschenkt hast?
    Au ja, das mache ich!, sagte ich mir. Ich schreibe ein Buch, das ganz sicher eines Tages in deine Hände gelangt. Du wirst ihm entnehmen können, wie man sich aus der eisigen Finsternis befreit, in der Oligarchen und Staatsanwälte, Liberale und Konservative, Homos und Heteros, Online-Kolumnisten, Werwölfe in Uniform und Portfolio-Manager mit den Zähnen knirschen. Und vielleicht können außer dir noch andere edle Geschöpfe mit Herz und Schweif aus dem Buch ihre Schlüsse ziehen …
    Fürs Erste leb wohl! Und danke für die Hauptsache, die du mir eröffnet hast. Danke für die
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