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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe
Autoren: Viktor Pelewin
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Quellen?«
    »Er studiert die Erfahrungen von Genossen Bellow.«
    »Ach, der aus dem Buch. Leiter der Unterabteilung Säuberung …«
    »Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast«, rügte Michalytsch mich streng. »Über ihn sind jede Menge Gerüchte im Umlauf. Alles Lüge und Verleumdung. Die Wahrheit weiß keiner. Wie der Genosse Generaloberst das erste Mal in der neuen Uniform auf Arbeit kam, haben unsere dienstältesten Mitarbeiter geweint vor Rührung! So was hatten sie seit anno neunundfünfzig nicht mehr gesehen, nachdem Genosse Bellow tot war. Das ging damals alles den Bach runter. Weil nur er es zusammengehalten hatte.«
    »Wie ist er eigentlich zu Tode gekommen?«
    »Er wollte unbedingt als Erster ins Weltall fliegen. Und kaum hatten sie eine Kabine entwickelt, wo ein Hund reinpasste, hat ers gemacht. So einen kannst du nicht halten … Es war ein riesiges Risiko – in der ersten Zeit ging jeder zweite Start in die Binsen. Er wollte es trotzdem. Und so kam es …«
    »So ein Idiot«, sagte ich. »Viel Ruhmsucht und nichts dahinter.«
    »Das hat mit Ruhmsucht nicht das Geringste zu tun. Hast du eine Ahnung, warum Genosse Bellow ins Weltall geflogen ist! Er wollte dem Nichts auf den Schwanz treten, bevor es ihm drauftritt, das war es. Aber er hat ihn verfehlt. Um drei Winkelsekunden …«
    »Weiß Alexander von diesem Bellow?«, fragte ich.
    »Inzwischen schon. Ich sag doch, er sitzt nächtelang im Archiv.«
    »Und was meint er dazu?«
    »Der Genosse Generaloberst hat es so formuliert: Auch Titanen haben ihre Grenzen.«
    »Alles klar. Und was wollen die Titanen von mir?«
    »Eigentlich nicht viel. Ich soll dir nur was ausrichten.«
    »Na, dann.«
    »Du reißt angeblich das Maul ziemlich weit auf – von wegen, du wärest ein Überwertier …«
    »Hm. Was dagegen?«
    »Allerdings. In diesem Land sollte jeder wissen, wohin er gehört und wem er untersteht. Das betrifft die Menschen genauso wie die Wertiere.«
    »Bin ich irgendwie im Weg?«
    »Das kann man so nicht sagen. Aber Überwertier kann nur einer sein. Was wäre er sonst für ein Überwertier?«
    »Das ist eine haltlose Auffassung vom Überwerwesen. Das riecht nach Nietzscheanismus in der Knastversion. Ich für mein Teil …«
    »Du, lass mal«, unterbrach mich Michalytsch und hob die Hand, »ich bin nicht zum Quasseln gekommen. Es ging uns nur um die Mitteilung.«
    »Ah ja«, seufzte ich. »Und was soll ich jetzt machen? Leine ziehen?«
    »Nein, wieso? Deine Zunge hüten sollst du, das ist alles. Immer schön dran denken, wer hier das Überwertier ist. Und keinen Scheiß mehr erzählen, was das angeht. Damit erst gar kein Kuddelmuddel in den Kopien entsteht … Kapito?«
    »Fragt sich, wer hier den Kuddelmuddel im Kopf hat«, sagte ich. »Am Anfang, da …«
    »Fragen sind nicht zugelassen«, unterbrach mich Michalytsch schon wieder. »Wie Nagual Rinpoche zu sagen pflegt: Triffst du Buddha, lass ihn am Leben, aber ja nicht zu Wort kommen …«
    »Na gut, dann eben nicht. Wars das?«
    »Nein. Ich hätte noch eine Bitte. Privat.«
    »Ja?«
    »Heirate mich.«
    Das kam überraschend. Er meinte es ernst, das war mir sofort klar. Ich musterte ihn aufmerksam.
    Vor mir saß ein Mann, der auf die sechzig zuging. Immer noch kräftig und auf dem Sprung, vielleicht dem letzten großen in seinem Leben – ohne einstweilen zu wissen, wohin (was nur gut für ihn war). Solche wie ihn habe ich schon viele hinter mir. Immer sehen sie in mir ihre letzte Chance. Erwachsene Männer, und begreifen nicht, dass die letzte Chance nur bei ihnen selbst liegen kann. Aber sie wissen ja nicht einmal, worin diese Chance besteht … Alex hatte immerhin etwas kapiert. Der hier ganz bestimmt nicht.
    Michalytsch sah mich an, in seinen Augen flackerte die Hoffnung eines Wahnsinnigen. Auch diesen Blick kannte ich. Wie lange ich schon auf dieser Welt bin, mein Gott!, dachte ich wehmütig.
    »Du hättest ein Leben wie auf einer Insel«, palaverte Michalytsch mit rauer Stimme. »Und wenn du magst, kannst du sie haben, die Insel – ganz real. Dein eigenes Kokos-Bounty. Für dich tue ich alles.«
    »Und wie heißt sie?«, fragte ich.
    »Wer?«
    »Na, die Insel. Sie muss doch einen Namen haben. Ultima Thule zum Beispiel oder Atlantis, was weiß ich.«
    »Ganz wie du möchtest«, grinste er. »So ein Name ist doch kein Problem, oder?«
    Es war Zeit, das Thema zu wechseln.
    »Gut, Michalytsch«, sagte ich. »Das will ernsthaft überlegt sein. Ich denk drüber nach, o.k.? Gib mir
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