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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe
Autoren: Viktor Pelewin
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gebührenden Niveau gehalten werden; die Moskauer Polizei sorgt rund um die Uhr für die Ruhe und Sicherheit der Passanten. Und was die Hauptsache ist, liebe Freunde: Möge auch in Eurem Leben allzeit Gelegenheit sein für ein fröhliches kleines Lied!
     
    Tengis Kokojew, Major, Leiter des Polizeireviers Bitza-Center
    Dr. phil. Maja Maratscharskaja, Dr. phil. Igor Koschkodawlenko Peldis Sharm, Fernsehmoderator (Karaoke auf dem Weg zu dir selbst)

 
     
    Im hohen und luftlosen Sternenchor
    versah Gott, der Herr, sich mit lichtem Dekor …
    Quelle unbekannt
     
    Und wer ist dein Held jetzt, Dolores Haze?
    Noch der Star mit den starken Armen?
    Ach, die Kalmen der Bays und die Palmen an Kais
    Und die Bars, mein Schwarm, meine Carmen!
    Humbert Humbert
     
     
    Mit dem Kunden, auf den Barkeeper Serge mich angesetzt hatte, war ich in der Alexander-Bar des Hotels National, verabredet, um halb acht. Es war zehn nach halb, das Taxi schlich, geriet von einem Stau in den nächsten. Mir war schon fast so, als hätte ich eine Seele – so einen Seelenkater spürte ich.
    »I want to be forever young«, leierte Alphaville im Autoradio zum wer weiß wievielten Mal.
    Deine Probleme möchte ich haben, dachte ich und war schnell mit den Gedanken bei meinen.
    Eigentlich denke ich nur selten an sie. Ich weiß, dass sie irgendwo im leeren schwarzen Raum liegen und dass ich jederzeit auf sie zurückkommen kann. Um mich ein neues Mal zu vergewissern, dass es für sie keine Lösung gibt. Das ist eigenartig, wenn man es recht bedenkt.
    Nehmen wir an, ich hätte eine Lösung. Was geschähe dann? Meine Probleme kämen mir abhanden – entschwebten für immer in jene Untiefen, wo sie ja doch schon die meiste Zeit gelegen haben. Die einzige praktische Folge wäre, dass mein Geist aufhörte, sie aus dem großen schwarzen Nichts ans Tageslicht zu zerren. Bestehen demnach meine unlösbaren Probleme nicht einzig und allein darin, dass ich an sie denke? Erschaffe ich sie nicht erst in dem Moment neu, wo sie mir wieder einfallen?
    Das kurioseste meiner Probleme ist mein Name. Eines, das ich nur in Russland habe. Da ich aber nun einmal hier lebe, muss ich zugeben, dass es sich um ein sehr handfestes Problem handelt.
    Ich heiße A Huli. Was im Russischen äußerst unanständig klingt.
    Vor 1918, als wir noch die alte Orthographie hatten, konnte ich zu mindest in schriftlicher Form der Anzüglichkeit entgehen, indem ich mich mit altem »i« schrieb: А Хули . In einem Petschaft, das ich im Jahr 1913 von einem Petersburger Mäzen geschenkt bekam, der mein Geheimnis kannte, war der Name zu zwei Zeichen verschmolzen:
     

     
    Das war übrigens eine lustige Geschichte. Der erste Siegelring, den er für mich machen ließ, trug das Monogramm auf einem Rubin, und alle fünf Buchstaben waren in einem Symbol vereint:
     

     
    Er überreichte mir das Schmuckstück, während wir auf einer Jacht durch den Finnischen Meerbusen segelten; ich betrachtete den Ring und hatte ihn im nächsten Augenblick ins Wasser geworfen. Der Mäzen erbleichte und fragte, warum ich ihn hasse. Nicht dass er wirklich annahm, ich hasste ihn – zu jener Zeit waren theatralische Gemütsregungen einfach in Mode, was, nebenbei gesagt, auch der Grund war, weshalb der Erste Weltkrieg ausbrach und die russische Revolution.
    Auf die Art könnte man getrost alle Buchstaben des Alphabets übereinander legen und auf einem kleinen Stein unterbringen, erklärte ich, das käme billig, nur dass man so nicht wisse, welches der Anfangsbuchstabe sei … Schon am übernächsten Tag wurde mir die neue, aus einem länglichen Opal gefertigte Variante präsentiert. AH., so also nun das närrische Orakel! wie der Mäzen in einem Gedicht, das der Gabe beigelegt war, fein doppelsinnig formulierte.
    Da sieht man, was damals in Russland noch für Leute lebten! Allerdings vermute ich, dass er das Gedicht nicht selbst geschrieben, sondern bei dem Dichter Kusmin in Auftrag gegeben hat, denn nach der Revolution tauchten mehrfach irgendwelche bekoksten Tscheka-Tucken bei mir auf und wollten Brillanten haben. Bald darauf wurden in meiner Wohnung an der Italjanskaja Schlosser und Wäscherinnen einquartiert, und mir persönlich nahmen sie die letzte Bastion meiner Selbstachtung, das »i«. Darum mochte ich die Kommunisten von Anfang an nicht leiden, schon damals nicht, als viele helle Köpfe noch an sie glaubten.
    In Wirklichkeit ist mein Name sehr schön und hat mit dem, was das Russische ihm an Bedeutung anhängen
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