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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen
Autoren: Jean Raspail
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die herzogliche Krone trugen. Reiterhut und ein Jagdmesser, das ihm auf die Schenkel schlug, vervollständigten diese seltsame, gemischte Uniform. Als Würze des Ganzen hatte er sich noch eine Gemeindeschärpe umgehängt.
    Wie er jetzt so die vergnügten Gesichter sah, sprach er: »Als Herr Machefer mich zu Hause in der Rue Varenne abholte, gab er mir nur fünf Minuten Zeit. Ich habe gegriffen, was ich für die Reise für bequem hielt. Dann habe ich mir gesagt, daß wenn es schon zu Ende geht, dies eine Verkleidung ist, die mir noch etwas bedeutet. Ich bin Schiffskapitän, bevollmächtigter Minister Erster Klasse, Ritter des Malteserordens, Mitglied der päpstlichen Ehrengarde, im Untergrund seit Pius XII. Hübsche Uniformen trotzdem, auf die ich viel hielt. Aber das Jagdgewand, glaube ich, geht noch viel weiter in die Vergangenheit zurück. Zudem bin ich gekommen, um zu jagen. Übrigens habe ich es viel mehr getragen als das übrige. Ich fühle mich darin wohler. Die Schärpe allerdings, mit der bin ich verbunden. Ich wollte Sie nicht aufgeben. Ich bin der sehr republikanische Bürgermeister von Uras, fünfzehn Häuser im Vaucluse, fünfzehn wahrscheinlich erloschene Häuser …«
    Er schloß einen Augenblick die Augen, wie wenn er vor einem Grabstein stehen würde. Doch rasch war die Gemütsaufwallung verflogen, und er fügte hinzu: »Wenn Sie sich jetzt noch über mich lustig machen wollen, bitte schön, ein Bürgermeister ohne Rathaus, ich glaube, wir stehen gleich, Herr Minister!«
    »Sie täuschen sich, Herr Herzog! Wir haben die gesamte öffentliche Hand beisammen. Uns fehlt nur ein Bürgermeister. Auch das ist jetzt geregelt. Wir wählen Sie zum Bürgermeister des Dorfes.«
    »Aus was besteht es?«
    »Aus gar nichts«, antwortete belustigt der Minister. »Aber die Gesetzmäßigkeit, Herr Herzog, die Gesetzmäßigkeit ist eine heilige Sache.«
    »Und wir?« fragten zwei schüchterne Stimmen. »Haben Sie uns bei der Stellenvergebung vergessen?«
    Zwei stämmige, schwarzhaarige Burschen von etwa dreißig Jahren, in Cordanzügen und mit dreischüssigen Springfields bewaffnet, lachten fröhlich wie Kumpels.
    »Ich stelle Ihnen Crillon und Romégas vor«, sagte der Herzog, »mein Chauffeur und mein Kammerdiener. Beide in Uras geboren. Die Familie ist seit zehn Generationen im Dienst der Uras. Ich wollte sie freilassen, als ich wegging. Aber da war nichts zu machen. Sie bestanden darauf, bei mir zu bleiben, und ich bin froh darüber! Ohne sie wären wir nie hier angekommen. Sie können sowohl kochen als auch schießen.«
    »Ich habe eine Idee«, sagte der Staatssekretär. »Wir haben ein Ministerium mit mehreren Ministern, einen Generalstab, eine treue Armee und einen Bürgermeister mit großem Geschäftsbereich. Aber uns fehlt noch etwas Wesentliches. Uns fehlt das Volk!«
    »Daran habe ich unverzeihlicherweise gar nicht gedacht«, warf der Oberst ein. »Crillon und Romégas, Ihr spielt das Volk! Seid Ihr einverstanden?«
    Die beiden stießen sich mit dem Ellbogen, und Crillon antwortete:
    »Mit uns zwei, glaube ich, klappt es. Aber haben wir auch ein Streikrecht?«
    »Ein Streikrecht? Jetzt schon?«
    »Mit Transparenten und Aufmärschen«, betonte Romégas. »Das müssen wir wissen. Entweder sind wir Volk oder nicht!«
    »Es gibt das Streikrecht, wie es gesetzmäßig ist«, sagte der Minister etwas zögernd, aber nachdrücklich, so, als ob er eine Rede im Parlament halten würde. »In der westlichen Welt sind beide Rechte heilig. Ich versichere Ihnen feierlich, daß die Regierung zu Verhandlungen bereit ist, allerdings in vernünftigen Grenzen und soweit die Interessen der Nation nicht nachteilig berührt werden. Natürlich müssen Sie eine Gewerkschaft gründen, oder besser zwei rivalisierende Gewerkschaften, da Sie zu zweit sind. Sie werden zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Straßen aufmarschieren. Das ist alles. Der Bürgermeister wird das regeln …«
    Der Satz endete in einem allgemeinen Heiterkeitsausbruch. Der Oberst lachte Tränen, der Herzog unterdrückte Glucksen und Schluckauf, so daß sich sein Rücken bog. Machefer und die Armee spendeten Beifall, schrien bravo und schwangen ihre Mützen, während die beiden Kumpels verdutzte Gesichter machten. Angesichts ihrer Isoliertheit und der Hoffnungslosigkeit ihres Unternehmens, wie sich jederzeit die Lage ändern konnte und wie jedem ein nahes Ende bewußt war, erschien ihr Humor irgendwie schwindelerregend. Vor ihnen lag ein Brunnen ohne Boden,
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