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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen
Autoren: Jean Raspail
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von Pondichéry den Ernst seiner soeben gesprochenen Worte. Und das war es genau, was alle im Dorf wieder wünschten. Für sie war es eine Komödie, fröhlich und schnell zu sterben. Für die andern eine bedrückende Tragödie, die sich stumpfsinnig bis ans Ende hinzog, bis ans Ende einer armseligen Welt der Verfechter der Gleichheit der Menschen.
    »Ich nehme an, Herr Minister«, antwortete er lachend.
    »Herr Hamadura«, fuhr der Staatssekretär fort. »Sie sind von nun an Minister für die französischen Besitzungen in der Übersee.«
    »Wenn Sie das nicht stört«, schloß der Abgeordnete, »so wähle ich lieber die alte Bezeichnung ›Kolonialminister‹.«
    Auch er hatte verstanden.
    »Und Sie, Herr Sollacaro, was können wir aus Ihnen machen? Uns fehlt ein Geistlicher. Die Hilfe der Religion darf in unserer Lage nicht nachlässig betrachtet werden. Ich sehe, Sie sind ganz in schwarz gekleidet. Würden Sie zufällig den Mann der Kirche spielen?«
    Sollacaro war ein großer, schlanker, fröhlicher Mensch mit kantigen Gesichtszügen. Seine strenge Eleganz verriet einen außergewöhnlichen Geschmack. Er trug ein weißes Seidenhemd mit Manschetten, dazu eine alpakafarbene, samtartig glänzende Jacke von tadellosem Schnitt. All dies hatte in den Kämpfen am Morgen gelitten, auch die beschmutzten krokodilledernen Schuhe und die zerrissene Hose. Wenn man indes die ausgezeichnete Kleidung betrachtete, so fiel auf, daß Herr Sollacaro bei der Qualität nicht geknausert hatte. Ein großer Diamant am linken kleinen Finger bestätigte den Gesamteindruck.
    »Feldgeistlicher! Feldgeistlicher! Das paßt mir«, sagte er. »Ich bin Korse und Katholik und habe kein einziges Gebet vergessen. Aber Sie sollen auch wissen, daß ich bis zum vergangenen Freitag das schönste und exklusivste Freudenhaus der ganzen Küste besessen habe. ›Die silberne Sünde‹ in Nizza. Zwanzig herrliche Mädchen.«
    »Jawohl«, sagte der Oberst, »ich erinnere mich an eine gewisse Cléo … Gratuliere, Herr Sollacaro.«
    »Ich auch«, sagte der Herzog. »Ich erinnere mich an eine kleine Negerin von noch nicht sechzehn Jahren. Léa oder Béa …«
    »Béa«, bestätigte der Korse. »Das war letztes Jahr.«
    »Ja richtig, Bea«, sagte der Minister. »Aber ich hatte Lucky und Silvia lieber. Ein unsagbar schönes Duo, Herr Sollacaro! Was für eine Erholung nach den politischen Kongreßabenden!«
    Jetzt wurden sie rührselig. Die vergangene Zeit und das verlorene Glück tauchten auf. Im Westen macht auch Geld glücklich. Es konnte so viele schöne Stunden verschaffen …
    »Was ist aus den Mädchen geworden?« fragte der Herzog, der eine flüchtige Träne wegwischte.
    »Richtig!« antwortete Sollacaro. »Deshalb bin ich ja hier. Ich habe sie in einem hübschen Autobus evakuiert. Bis Montélimar ging alles gut. Dort bin ich einem meuternden Regiment in die Hände gefallen, das in einer Kaserne einen wahren Zirkus aufführte. Es war alles da in diesem Dreckloch. Araber, entlaufene Gefängnisinsassen, Lumpenpack. Sie haben alle hergenommen, alle meine Mädchen. Und wenn ich sage hergenommen … Eine Schweinerei! Und für nichts. Und in welcher Umgebung. Erbärmlich. Ekelhaft. Sie müßten sich als Mann schämen. Dort habe ich begriffen, daß jenes Bordell und ich nicht vom gleichen Ufer sind. Aber Sollacaro rechnet immer ab. Zwischen jenem Bordell und mir besteht Krieg. Ich habe dann ein Auto gestohlen, habe kehrtgemacht und bin nun hier. Minister oder Feldgeistlicher, irgend etwas, was Sie wollen, sofern mir Herr Hamadura zwei seiner hübschen Gewehre überläßt …«
    Das Glaubensbekenntnis des Freudenhausbesitzers unterbrach glücklicherweise die aufgekommene Rührung. Erst lächelten, dann lachten alle. Es war belustigend, wie Herr Sollacaro sich für sein gutes Bordell einsetzte und das andere in den Dunkelbereich des Tierischen verdammte. Aber niemand war sich im unklaren, daß das tiefgründiger war, als es schien.
    Jetzt rechnete der Unteroffizier der Husaren ab. Auf der Jagdtafel im Gemeindehaus brachte er einige weitere Balken an. Der Ganges zählte nun zweihundertdreiundvierzig Balken, die »Assimilierten« sechsunddreißig Balken. Auf dem kleinen Rathausplatz gab jeder wie üblich seinen Kommentar dazu. Indessen sah schon jeder das Ende voraus und war daher nicht mehr sonderlich interessiert. »Die Flugzeuge« dachte der Oberst, »sofern sie nicht zögern …«
    »Laßt uns gesetzlich handeln«, sagte plötzlich der Minister. »Ich lese da
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