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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen
Autoren: Jean Raspail
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versuchen, in Gruppen oder jeder für sich. Aber schauen Sie hin!«
    Er deutete auf das Land um das Dorf herum. Man sah nur Horden, die brüllend heranfluteten. Die Straße, die in Schleifen von Fontgembar herunterkam, wimmelte von Tausenden von menschlichen Ameisen, die eine endlose Kolonne bildeten, eine Stachelwalze von Fäusten, Stöcken, Sensen und Gewehren …
    »Im Nahkampf in einer Schlächterei unter jenen Menschen zu enden, das hat keinen Sinn.«
    »Und die zweite Lösung?« fragte der Minister. Aber alle hatten schon verstanden.
    »Ganz einfach hier warten. Es dauert höchstens zwei Minuten. Von den unsrigen getötet zu werden, ist jedenfalls besser. Und dann ist es wenigstens genau das Ende. Wir haben nichts mehr zu bedauern…«
    »Meinten Sie dies, als Sie sagten ›ein Ende, das uns entspricht
    »Genau das.«
    »Ich wußte es«, sagte der Minister. »Und jeder hier wußte es. Deshalb sind wir Ihnen gefolgt.« Dann drehte er sich um und lächelte, als ob ihm eine lustige Idee gekommen wäre.
    »Herr Sollacaro«, sagte er. »Da Sie ein gutes Gedächtnis haben und unser Feldgeistlicher sind, wäre es vielleicht Zeit, ein paar Gebete zu sprechen …«
    Diese letzten Worte gingen im Krachen der Bomben unter. Das Haus des alten Herrn Calguès, das im Jahr 1673 gebaut wurde und tausend Jahre auszuhalten schien, war nur noch ein Trümmerhaufen – neben den andern im Dorf.
    Als die Gendarmen heraufkamen, um die Toten zu identifizieren, stießen sie auf einen vergitterten Aushangkasten, der inmitten des Schutts merkwürdigerweise ganz geblieben war. Ganges: dreihundertzwölf Balken, Assimilierte: sechsundsechzig Balken.
    Das war die letzte Abschußtabelle vom Donnerstagmittag nach Ostern. Ergänzend muß man hinzufügen: Oberst Konstantin Dragasès, Chef des Generalstabs; Jean Perret, Staatssekretär; Calguès, emeritierter Professor der französischen Literatur; Jules Machefer, Journalist; Kapitän Luc Notaras, Kommandant des Frachters INSEL NAXOS; Hamadura, ehemaliger Abgeordneter von Pondichéry; Herzog von Uras, Komtur des Malteserordens; Sollacaro, Bordellbesitzer; das 2. Husarenregiment, genannt die Husaren von Chamborant, mit einem Unteroffizier und drei Reitern; das 1. Marinekommando mit einem Kapitän und fünf Mann; Crillon und Romégas, Einwohner von Uras im Vaucluse. Insgesamt zwanzig Mann.
    In memoriam. Das ist wohl das wenigste, an das sich einer erinnern möge.

50.
     

    Ich erinnere mich daran, in der Stunde, wo ich die Erzählung dieser Ereignisse beende. Ich habe mehr für mich geschrieben als in der Absicht, gelesen zu werden, und ich rechne nicht damit, je zu werden. Ich kann höchstens hoffen, daß meine Enkel mich lesen werden, ohne sich zu schämen, wenn sie daran denken, daß mein Blut auch in ihren Adern fließt. Übrigens, was werden sie verstehen? Wird das Wort Rassismus für sie noch irgendeine Bedeutung haben? Schon zu meiner Zeit war die Meinung darüber so geteilt, daß das, was für mich nur die schlichte Feststellung der Unverträglichkeit der Rassen war, wenn sie in einer gemeinsamen Umwelt leben, vom größten Teil meiner Zeitgenossen als Aufruf zum Rassenhaß und als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgelegt wurde. Was soll‘s, mögen sie denken, was sie wollen!
    Um ihren Zorn zu besänftigen oder ihrer Verwunderung gerecht zu werden, möge ihnen die Kenntnisnahme genügen, daß ich dieses Buch in der Schweiz geschrieben habe. Ich glaube, im Verlauf dieser Erzählung schon darauf angespielt zu haben. Dieses Land schenkte mir eine merkwürdige Schonfrist. Mir und einigen anderen. Ich spreche nicht von den Feiglingen, die zuerst lauter als andere »Hallo« geschrien haben und die ersten waren, die geflohen sind. Ich spreche von denen, die sich auf den Weg in die Schweiz gemacht haben, um zu versuchen, dort fortzusetzen, was sie liebten, ein Leben nach westlicher Art unter Leuten gleicher Rasse. Wunderbares kleines Land! Seit langem schon Gegenstand des Gespötts, weil es sich damit begnügte, glücklich zu leben, ohne sich durch Gewissensbisse zu zerfleischen, und weil sein Gedankenflug kaum über das Streben nach ein wenig alltäglichem Glück hinausging. Schweizer sein bedeutete, einen gelben Stern tragen. Zwischen Haß, Willfährigkeit und Verachtung zeigte die Welt der Konformisten, der sich stets um Anpassung Bemühten, mit strengem Finger auf alle diese Ärgernis erregenden Gimpel, auf diese Schweiz, die es wagte, für sich so anormale egoistische Werte zu
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