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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
Autoren: John Boyne
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auf nach Paris«, verkündete ich.
    »Georgi«, sagte sie und griff mich am Arm. »Da wäre noch etwas.«
    »Ja?«
    »Mein Name. Du darfst mich nicht mehr bei meinem Namen nennen. Wir dürfen nicht riskieren, dass man uns entdeckt. Nach dir werden sie nicht suchen, denn außer Maria wusste niemand von unserer Beziehung, und sie …« Sie hielt inne, sammelte sich kurz und fuhr dann fort. »Von heute an darfst du mich nicht mehr Anastasia nennen.«
    »Natürlich«, pflichtete ich ihr bei. »Aber wie soll ich dich dann nennen? Einen besseren Namen als deinen kann ich mir nicht vorstellen.«
    Sie senkte einen Moment lang den Kopf und dachte darüber nach. Als sie wieder aufschaute, kam es mir so vor, als wäre sie ein völlig anderer Mensch geworden, eine junge Frau, die sich anschickte, ein neues, einfaches Leben zu beginnen.
    »Nenn mich Soja«, sagte sie leise. » Leben .«

1981
    Es ist fast elf Uhr abends, als das Telefon klingelt. Ich sitze in einem Sessel an unserem kleinen Gasofen, einen zugeklappten Roman in den Händen, die Augen geschlossen, aber wach. Das Telefon befindet sich in Reichweite, doch ich nehme nicht sofort ab, sondern gestatte mir einen letzten Moment des Optimismus, bevor ich den Anruf entgegennehmen und mich der Nachricht stellen muss. Schließlich strecke ich die Hand aus und greife mir den Hörer.
    »Ja bitte?«, sage ich.
    »Mr Jatschmenew?«
    »Am Apparat.«
    »Guten Abend, Mr Jatschmenew«, sagt die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. »Entschuldigen Sie, dass ich so spät noch anrufe.«
    »Das macht nichts, Dr. Crawford«, sage ich, denn ich erkenne sie sofort – wer sonst würde mich um diese Uhrzeit anrufen?
    »Ich habe leider keine guten Nachrichten für Sie, Mr Jatschmenew«, höre ich sie sagen. »Soja bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    »Aber Sie haben doch gesagt, es könne noch Wochen dauern«, erwidere ich, denn genau das hatte sie mir heute Nachmittag erklärt. »Sie haben gesagt, im Moment bestehe noch kein Anlass zur Sorge.« Ich bin nicht wütend auf Dr. Crawford, sondern bloß verwirrt. Ein Arzt erzählt dir etwas, du hörst ihm zu, du glaubst ihm. Und du gehst nach Hause.
    »Ich weiß«, sagt sie, wobei sie ein wenig zerknirscht klingt. »Und das habe ich heute Nachmittag auch geglaubt, doch der Zustand Ihrer Frau hat sich heute Abend plötzlich verschlechtert, Mr Jatschmenew. Es liegt natürlich ganz bei Ihnen, aber ich denke, Sie sollten jetzt herkommen.«
    »Ich werde mich beeilen«, sage ich und lege den Hörer auf.
    Zum Glück habe ich noch nicht mein Nachtzeug angezogen, und so brauche ich nicht lange, bis ich Portemonnaie, Hausschlüssel und Mantel geschnappt habe und zur Tür eile. In diesem Moment kommt mir ein Gedanke, der mich innehalten lässt, und ich frage mich, ob das nicht warten kann, doch dann gelange ich zu dem Ergebnis, dass es das nicht kann; ich kehre ins Wohnzimmer zurück, zum Telefon, und rufe meinen Schwiegersohn an, um ihn ins Bild zu setzen.
    »Michael ist oben«, lässt Ralph mich wissen, und ich bin froh, dies zu hören, denn ich habe keine andere Möglichkeit, mich mit meinem Enkelsohn in Verbindung zu setzen. »Wir werden in Kürze bei dir sein.«
    Draußen auf der Straße brauche ich ein paar Minuten, bis ich ein Taxi entdecke, doch schließlich nähert sich eins. Ich hebe die Hand, und es hält direkt neben mir am Bordstein. Ich öffne die hintere Tür und sage dem Fahrer den Namen des Krankenhauses, noch bevor ich sie wieder geschlossen habe. Er tritt aufs Gaspedal und fährt los. Ich spüre einen kühlen Luftzug im Gesicht und schlage schnell die Tür zu.
    Die Straßen sind um diese Uhrzeit ruhiger, als ich es erwartet habe. Gruppen von jungen Männern kommen aus den Pubs; sie haben einander die Arme über die Schulter gelegt und pöbeln sich mit gerecktem Zeigefinger gegenseitig an. Weiter vorn prügeln sich zwei von ihnen, während eine junge Frau versucht, die beiden Streithähne voneinander zu trennen, indem sie sich zwischen sie stellt; ich sehe sie nur kurz, im Vorüberfahren, doch der hasserfüllte Ausdruck auf ihren Gesichtern bestürzt mich.
    Das Taxi biegt scharf nach links ab, dann nach rechts, und kurz darauf passieren wir das British Museum. Ich sehe die beiden Löwen, die den Eingang flankieren, und ich kann mich selbst sehen, wie ich dort stehe und kurz zögere, bevor ich zum ersten Mal das Gebäude betrete, am Morgen meines Vorstellungsgesprächs mit Mr Trevors, am selben Morgen, an dem Soja ihre Stelle als
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