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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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nicht mehr existieren, sie lebte – auf der Spitze einer Nadel. Und sie wollte – zur Polizei gehen und – alles erzählen. Sie wollte – alles, alles erzählen. Henning war außer sich. Er sagte, er sagte, daß wir darauf vorbereitet sein sollten, zu verschwinden, ganz plötzlich. Wir besorgten uns Pässe und Papiere, wir –«
    »Du hörst, was sie sagt, Veum! Du bist mein Zeuge! Er muß es getan haben – Kvam! Er war außer sich, sagt sie …« Er sank zurück auf seinen Stuhl.
    Sie fuhr fort: »Aber dann war sie tot. Ermordet. Weder Henning noch ich begriffen, was passiert war. Moberg war doch in Stavanger, als es passierte. Aber wir waren auf der Hut. Wir standen permanent unter Spannung. Und als du auftauchtest …« Sie sah mich an. »Aber wir hatten nichts damit zu tun, Veum. Nichts.«
    »Sie wollte also ganz Schluß machen – und zu den Bullen gehen«, sagte ich. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf. Es war wie eine psychedelische Lichtshow, wo vier Menschen auf der Bühne stehen, und du sie die ganze Zeit aus verschiedenen Winkeln und aus neuen Perspektiven sahst: ein Bild, das sich die ganze Zeit veränderte, immer wieder neu war.
    Ich fuhr fort: »Du hattest eine Menge Kapital, Moberg. Aber nicht so viel, daß du nicht gern mehr gehabt hättest. Nicht so viel, daß du die Quelle, die der Drogenhandel ausmachte, so einfach aufgegeben hättest. Und du wolltest deine Anwaltslizenz nicht verlieren und für die nächsten zehn Jahre in den Knast gehen. Ein glänzendes Motiv. Ob Kvam und deine Frau etwas miteinander hatten – das spielte keine Rolle. Eifersucht war zu altmodisch für einen Mann wie dich, Moberg. Aber Geld – das war ein ausreichendes Motiv. Geld vermehrt sich wie die Kaninchen, aber wenn das plötzlich aufhören soll – dann stehen die Zeichen auf Tod, dann ist es Zeit für Mord.«
    Wir starrten einander an. Mobergs Blick war hitzig und angestrengt, und die Pupillen schienen brüchig.
    Kate Kvam flüsterte wieder: »Wir haben es nicht getan, Veum, wir haben es nicht getan …«
    Ich sah sie an. »Aber wenn nicht du … Moberg ist klar, er muß beteiligt gewesen sein, denn er fuhr zusammen mit seiner Frau nach Flesland – nachdem sie schon umgebracht war. Aber die Frau …«
    Ich versank in Gedanken. Es wurde still im Raum. William Mobergs starrende, brüchige Pupillen ließen mich nicht los. Kate Kvam saß da und spielte mit dem Verschluß der Tasche, die sie auf dem Schoß hatte.
    Dann wurde die Stille durchbrochen.
    Es war nicht William Moberg, der sie brach. Es war nicht Kate Kvam. Und ich war es auch nicht.
    Es war eine neue Stimme, die sie brach: eine Stimme so kalt und klar wie Eis. Eine Stimme, die nicht durch Nervosität beeinträchtigt war, eine Stimme voller Ironie, Sarkasmus und Selbstsicherheit.
    Die Stimme sagte: »Eine glänzende Beweisführung, Varg. Du hast Phantasie. Kombinationsvermögen. Aber nicht genug Phantasie und nicht genug Kombinationsvermögen. Eine glänzende Beweisführung, Varg. Sie hatte nur einen Fehler. Es war die falsche Frau …«
    Und wir blickten alle drei auf die richtige Frau.
    Was sie in der Hand hielt, war ein frecher, kleiner Anachronismus. Es war eine kleine, versilberte Derringer. Sie mußte an die hundert Jahre alt sein, ein Sammlerobjekt. Aber sie sah jetzt nicht wie eine Antiquität aus, sie wirkte hundertprozentig effektiv. Eine Derringer hat nur zwei Kugeln, eine in jedem Lauf, aber beide Läufe zeigten genau zwischen meine Augen, und zwei Kugeln waren für mich mehr als genug. Ich rührte mich nicht. Ich öffnete nicht einmal den Mund.
    Sie war durch und durch Eis. Sie war so kalt, daß du sie in kleine Stücke hacken und in deinen Drink tun konntest. Wenn du deinen Drink kalt mochtest. Und wenn du einen Drink hattest.
    Und ihr Haar war genauso kalt und genauso weiß wie der Schnee auf dem Kilimandscharo.

47
    »Hilde …«, sagte Moberg.
    »Ich hab alles gehört, William. Jedenfalls das meiste«, sagte Hilde Varde, ohne den Blick von mir zu wenden, ohne auch nur die geringste Bewegung zu machen mit der kleinen, versilberten Giftschlange, die sie in der Hand hielt.
    Ich sagte: »Du wirst also nicht die Polizei anrufen, Hilde.«
    Sie lächelte schwach, kalt.
    »Und es war tatsächlich nicht meiner blauen Augen wegen …«
    Sie lächelte nicht mehr. »Wir mußten wissen, wieviel du wußtest. Und du hast selbst dazu aufgefordert, als du mich einludst. Du hast mir so viel erzählt, daß wir uns den Rest zusammenreimen konnten. Und so
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