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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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Ich versuchte, mich unsichtbar zu machen, was mir nicht sonderlich gut gelang. Ihr Haar war tatsächlich rot, ich konnte es unter dem Hut erkennen. Sie blieb am Briefkasten stehen und sah hinein, fischte ein paar Briefe und eine Zeitschrift heraus, aber nichts davon schien nach ihrem Geschmack zu sein, denn sie legte alles sofort wieder zurück. Dann verschwand sie in der Garage, durch die Seitentür. Wenige Augenblicke später schwang das Garagentor auf, und sie glitt heraus, am Steuer eines schnittigen kleinen Opel Kadett in einem Rot, das ganz sicher mit der Farbe ihres Lippenstiftes übereinstimmte. Der Wagen lief wie eine heiße Katze, und ehe ich meinen Mini überhaupt angeschmissen hatte, war sie schon weit die Straße hinunter. Eine Staubwolke stob hinter mir auf. Ich hatte nicht gerade meinen diskreten Tag.
    In den Kurven zum Natlandsvei hinunter holte ich sie wieder ein, und unten auf der Straße hängte ich mich mit ein paar Wagen Abstand hinter sie. Sie hielt sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, fünfzig, und ich hatte keine Schwierigkeiten, ihr zu folgen.
    Sie fuhr ins Zentrum. Von der Kong Oscarsgate bog sie in die Lille Øvregate ein. Sie hatte Glück und fand einen Parkplatz auf der Korskirkealmenning. Sie war schon aus dem Wagen, bevor ich einen Parkplatz hatte. Ich stellte meinen Wagen halb auf dem Bürgersteig ab und betete zum Himmel, daß kein Polizist auftauchen möge. Unauffällig wie ein grüner Gorilla heftete ich mich an ihre Fersen. Sie schien allerdings tatsächlich nicht den geringsten Verdacht zu haben, daß hinter ihr etwas vor sich ging. Ihr Gewissen war demnach weiß wie Schnee. Sie sah sich nicht ein einziges Mal um, sondern ging mit geradem Rücken und federnden, leicht wiegenden Bewegungen. Sie sah in keiner Weise aus wie eine Frau, die ihre Vergangenheit in Ålesund hinter sich gelassen hatte, und deren Mann glaubte, sie sei ihm untreu.
    Außerdem hatte sie auch nichts Bestimmtes vor. Ich weiß nicht, wie Anwaltsfrauen normalerweise ihren Alltag verbringen. Vielleicht sitzen sie zu Hause und häkeln große Tücher für Wohltätigkeitsbasare. Vielleicht lernen sie Spanisch mit einem Linguaphonkurs. Oder sie wechseln vielleicht alle eineinhalb Monate den Liebhaber und trinken drei Flaschen Portwein die Woche. Diese Anwaltsfrau tat nichts dergleichen. Jedenfalls nicht an diesem Wochentag im November. Sie machte einen Einkaufsbummel.
    Shopping ist keine erfreuliche Beschäftigung. Es kann zur Not angehen, wenn man dabei mit einer Frau zusammen ist, die man sehr mag. Es kann auch zur Not noch angehen, eine schöne Frau dabei zu beobachten. In gewissen zeitlichen Grenzen. Frau Margrete Moberg einkaufsbummelte zwei geschlagene Stunden, und so schön war sie nicht. Nicht auf Distanz. Sie probierte Schuhe, kostete um die zehn verschiedene Lippenstifte, durchpflügte die Regale von zwei Buchhandlungen und drei Parfümerien, kurz gesagt: Sie genoß ihre Freizeit.
    Als sie nichts mehr tragen konnte, kehrte sie – mit ebenso geradem Rücken, ebenso federnd wie vorher – zum Auto zurück. In ihrem Schlepptau hatte sie einen erschöpften, nervösen Privatdetektiv. Es war ein Polizist dagewesen. Er hatte einen liebevollen Gruß hinter meinen Scheibenwischer geklemmt. Noch eine Rechnung. Sie würde sich nicht einsam fühlen.
    Frau Moberg bog wieder hinunter in die Kong Oscarsgate und fuhr direkt nach Hause. Ich beobachtete, wie sie ihr Auto in die Garage fuhr. Das Garagentor schwang automatisch auf, auf ein Signal. Sie kam aus der Garage, öffnete den Briefkasten und nahm den Inhalt mit ins Haus. Ich sah sie die Treppe hinauf, den Schotterweg entlang und ins Haus gehen. Und an dem Tag kam sie nicht wieder heraus. Jedenfalls nicht vor acht Uhr abends. Um sieben Uhr kam Moberg. Als nach einer Stunde noch nichts geschehen war, machte ich Feierabend, notierte mir zwei Überstunden und fuhr nach Hause.

6
    Am Tag darauf war ich früh zur Stelle: um acht. An diesem Morgen herrschte mehr Leben als am Tag vorher. Die Hausherren mußten zur Arbeit, die Kinder in die Schule. Niemand ging zu Fuß. Alle hatten einen Wagen. Man mußte einen Wagen haben, wenn man hier oben wohnte. Die Natland Terrasse liegt auf einem kleinen Bergkamm, der von Landåsfjell ausgeht und Mannsverk vom Sædal trennt. Vor ein paar Jahren war hier oben noch ein wunderbares Erholungsgebiet. Jetzt zerschnitten Straßen das gesamte Gebiet, und zwischen Blaubeersträuchern und Heidekraut schossen Häuser wie von Architekten
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