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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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einer kleinen Tasche in der Hand dastand. Das Haar war aufgesteckt. Wahrscheinlich war sie auf dem Weg zu einem Ball oder etwas Ähnlichem. Vier Bilder. Sie war etwas jünger, das war richtig. Aber sie war schon damals ein schöner Anblick gewesen. Das Komische war, daß mir erst vor ein paar Tagen jemand ein Bild von ihr gezeigt hatte. Wenige Tage vorher, im Büro des Anwalts Moberg.

4
    Bevor ich weitersprach, gab ich dem Rechnungsstapel einen beruhigenden Klaps, damit er wußte, daß ich ihn nicht im Stich lassen würde. Ich sagte: »Also, bevor ich Weiteres tun kann, wäre da das Mindesthonorar, Veide.«
    »Ja, ja, richtig.« Er griff nach seiner Brieftasche. Sie steckte in seiner linken Innentasche, und einen Augenblick lang glaubte ich, er griffe sich ans Herz. Der Anblick von fünf Hundertern beruhigte mich. Die fünf wechselten den Besitzer, und ich fühlte mich im Nu besser als seit Tagen.
    Ich sagte: »Das war wahrscheinlich das gesamte Honorar.«
    Er sah mich fragend an. »Was meinen Sie?«
    »Der Fall ist bereits gelöst.«
    Er öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Er sagte: »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Er sah aus, als bedauere er, die fünf Blauen aus der Hand gegeben zu haben.
    »Die Sache ist die«, fuhr ich fort, »daß mir vor ein paar Tagen ein anderer Mann ein Bild von derselben Frau gezeigt hat. Ein Anwalt. William Moberg. Ihre Schwester Margrete ist die Frau des Anwalts William Moberg.« Vom Rest der Geschichte erzählte ich nichts.
    Veide sagte: »Frau Anwalt William Moberg? Aber – aber – haben Sie auch ihre Adresse?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Die habe ich nicht. Aber ich habe ein Telefonbuch, das ich Ihnen vollkommen kostenlos anbieten kann. Leihweise, wohlgemerkt. Dort finden Sie die Adresse.«
    Ich gab ihm das Telefonbuch. Er nahm es mit einer Ehrfurcht entgegen, als wäre es eine historische Bibel. Er blätterte es durch. Ich beobachtete ihn stumm. Er fand die riehtige Seite. Er ließ den Finger die Spalten entlanggleiten. Schließlich ließ er ihn an einer Stelle nieder. »William Moberg, Anwalt. Natland Terrasse«, las er. Er sah fragend zu mir auf.
    Ich sagte: »Natland Terrasse. Das ist ein Ort im südlichen Teil der Stadt mit Stereoaussicht und Grundstücken der Hunderttausenderklasse.«
    Er nickte. Er hatte plötzlich etwas Gezwungenes an sich, als wüßte er nicht recht, wie er reagieren sollte. Er sagte: »Hören Sie, Veum. Es wirkt vielleicht ein bißchen merkwürdig, aber … Das kam etwas zu plötzlich. So einfach nach sechs Jahren des Schweigens zu hören, daß sie mit einem Anwalt verheiratet ist. Ich kann nicht einfach hinfahren und an der Tür klingeln und sagen: Guten Tag, Margrete, Vater liegt im Sterben.«
    Ich sagte: »Sie können ja anrufen.« Ich wies mit dem Kopf zum Telefon.
    »Nein, nein. Sie verstehen das nicht. Das Ganze ist zu – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.« Wenn er es selbst nicht wußte, konnte ich ihm auch nicht helfen, also ließ ich ihn noch eine Weile nachdenken. Schließlich sagte er: »Hören Sie, ich engagiere Sie weiter. Ich werde bis Anfang nächster Woche hier in der Stadt bleiben. Ich habe ein paar Geschäfte zu erledigen. Könnten Sie nicht … Margrete, ich möchte, daß Sie sie beschatten. Sie nur ein paar Tage beschatten. Ich will wissen, wie sie lebt, was sie tut. Ich möchte Vater etwas Konkretes erzählen können, wenn sie – wenn sich zeigen sollte, daß sie trotz allem nicht nach Hause fahren will. Etwas Handfestes, wenn Sie verstehen.«
    Ich sah wieder auf die vier Fotos. Handfest sah sie jedenfalls aus. Von den Fotos glitt mein Blick automatisch zum Rechnungsstapel. Ich hatte keine anderen Aufträge. Ich hatte keine guten Gründe, nein zu sagen. Ganz im Gegenteil, ich hatte einen Stapel guter Gründe, ja zu sagen. Ich sagte ja. »Wo wohnen Sie, Veide?«
    Er nannte den Namen eines kleinen Hotels im Zentrum. Es war bei weitem nicht das beste Hotel der Stadt, aber es gab noch schlechtere. Er reichte mir wieder seine kalte Hand, bedankte sich und bat mich, ihn im Hotel anzurufen, sobald ich etwas zu berichten hätte.
    Dann verließ er das Büro, und ich war wieder allein. Ich versuchte zu spüren, was es für ein Gefühl war, einen Job zu haben. Aber es war kein großer Unterschied. Wenn nicht fünf Blaue einen großen Unterschied ausmachen. Und das tun sie wohl, nehme ich an.

5
    Ich rief Paul Finckel an, einen Journalisten, den ich kenne. Ich nannte ihm den Namen William Moberg und bat ihn, ein
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