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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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leise, fast ein Murmeln. Er sagte: »Ve – Veum?«
    Ich nickte, und er reichte mir eine kalte Hand. »Ragnar Veide.« Seine Rs ließen darauf schließen, daß er von einem Ort an der Møre-Küste kam.
    Ich wies ihn in mein Büro, wischte pflichtschuldigst ein bißchen Staub vom Klientenstuhl und bat ihn, sich zu setzen. Ich selbst setzte mich auf die andere Seite des Schreibtisches und betrachtete ihn genau. So sah er also aus. Ein Klient.
    Ragnar Veide war schwer einzuordnen. Seine Kleidung war gewöhnlich: grauer Mantel, brauner Anzug, weißes Hemd mit beigem Schlips, braune Schuhe, ein Rotary-Abzeichen auf dem Jackenaufschlag. Das Gesicht war blaß, die Augen blau. Die Nase war eine Nase: weder groß noch klein, weder häßlich noch hübsch. Das Haar war dunkelblond und glatt nach hinten gekämmt, was die hohe Stirn und die tiefen Geheimratsecken betonte. Auf einer Seite der Stirn pulsierte eine Ader.
    Seine Augen wirkten nervös. Sein Blick flackerte rastlos in meinem Büro umher, ohne an etwas Interessantem hängenzubleiben, und er war sehr glasig, als hätte er Fieber.
    Ich sagte: »Na, womit kann ich dienen?«
    Er leckte sich die Lippen und sagte: »Ich habe Sie im Telefonbuch gefunden. Sie waren der einzige. Ich habe noch nie … Es ist das erste Mal, daß ich – einem Detektiv begegne.«
    Er wartete einen Augenblick, wie um zu hören, ob ich protestieren wollte. Aber das wollte ich nicht. »Wieviel«, sagte er. »Wieviel kostet es – Sie zu engagieren?«
    »Das kommt auf die Art des Auftrags an – und auf den Auftraggeber. Wir haben einen Satz für Privatpersonen und einen anderen für Firmen und Organisationen.«
    Er nickte. »Ich verstehe. Ja, ich bin privat hier. Und diese – Sätze?« Er sah mich fragend an.
    Ich gab ihm eine kleine Karte, die das Ganze offizieller erscheinen ließ. Er nahm die Karte und las laut. Das wäre nicht nötig gewesen. Ich kannte sie auswendig. Es war meine Lieblingslektüre. »Feste Sätze«, las er. »Fünfzig Kronen pro Stunde. Vierhundert Kronen pro Tag. Zweitausend Kronen pro Woche. Fünftausend Kronen pro Monat. Mindestsatz: fünfhundert Kronen. Zuzüglich Spesen.« Er hob den Kopf und sah mich an. Ich errötete nicht. »Das ist nicht gerade wenig«, sagte er.
    »Es ist auch nicht gerade viel. Nicht, wenn du im Monat einen Auftrag hast – und es dich eine Stunde kostet, ihn auszuführen.«
    »All das mit den Stunden und Tagen und …« Er hob resigniert die Hände.
    Ich sagte: »Das ist ganz einfach. Der Mindestsatz sind fünfhundert Kronen. Die müssen Sie in jedem Fall bezahlen. Das entspricht zehn Arbeitsstunden. Wenn der Auftrag nicht mehr Zeit braucht, dann bezahlen Sie auch nicht mehr. Wenn es zwölf Stunden dauert, bezahlen Sie sechshundert Kronen. Wenn es mehrere Tage sind, dann bezahlen Sie vierhundert Kronen pro Tag, plus fünfzig Kronen pro Stunde, die über die Anzahl Tage hinausgeht. Die Sätze gehen aus von einem Achtstundentag, aber ab und zu sind ja – wie soll ich es nennen – Überstunden erforderlich. Dann bezahlen Sie fünfzig Kronen pro Überstunde. Wenn der Auftrag ausgeführt ist, erhalten Sie eine genaue Abrechnung. Okay? Je länger Sie mich engagieren, um so billiger wird es. Nur fünftausend Kronen für einen ganzen Monat: Das nenne ich ein Angebot!«
    »Aber«, sagte er. »Wie kann ich kontrollieren, daß Sie die Anzahl Stunden oder Tage arbeiten, die Sie angeben?«
    Ich sah ihn kühl an. »Das können Sie nicht. So einfach ist das. Sie müssen mir vertrauen. Oder zu einem anderen gehen. Und einen anderen gibt es nicht, hier in der Stadt jedenfalls nicht. Sie haben also keine Wahl.« Er sah aus, als dächte er darüber nach, und ich fügte hinzu: »Es kommt ja darauf an, wie wichtig Ihrer Meinung nach der Auftrag ist.«
    Er nickte langsam. Dann sagte er: »Tja, das Geld spielt keine so große Rolle. Ich komme heute aus Ålesund.«
    Ich verstand den Zusammenhang nicht ganz. Ich sagte: »Soso, wollen wir zur Sache kommen? Worum geht es überhaupt?«
    Veide sagte: »Ich weiß nicht recht, wie ich es formulieren soll. Es – dreht sich um – eine Familienangelegenheit. Mein Vater, Bjarde Veide, ist ein kranker, alter Mann. Er – kurz gesagt: Er liegt im Sterben. Er ist Hauptaktionär in einer der größten Fischfabriken im Nordwesten, und er verwaltet ein – tja – ein nicht geringes Vermögen. Es gibt zwei Erben – mich und meine Schwester. Und das ist das Problem.«
    »Daß es zwei Erben gibt?«
    »Na, ja, nicht ganz, aber – meine
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