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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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da.»
    Von irgendwo im Haus wurden eilige Schritte laut, Augenblicke später erschien eine sehr gepflegte Dame im weißen Musselinkleid in der Hintertür. Ihr hellblondes Haar war in adrette Locken gelegt und unter einem ausladenden Hut hochgesteckt. «Die neue Magd?» Sichtlich überrascht musterte sie Pauline von Kopf bis Fuß. «Die Anzeige ist doch erst seit gestern in der Zeitung. Das ging aber schnell. Wie heißt du, und woher kommst du?»
    Pauline schluckte und räusperte sich. «A… also mein Name ist Pauline Schmitz. Ich komme aus Bad Bertrich, aber ich habe bis … bis vor kurzem noch in Bonn gearbeitet.»
    «Aha. Das erklärt, wie du so schnell hier sein konntest. Hast du Referenzen vorzuweisen?»
    Pauline wurde rot. «N-nein, leider haben mir meine letzten Arbeitgeber kein Zeugnis geschrieben.»
    «Warum nicht?» Argwöhnisch hob die Hausherrin die Brauen an.
    Pauline überlegte fieberhaft und entschied sich für eine Notlüge. «Sie sagten, dass ich zu kurz in ihrem Dienst gestanden hätte. Ich war wirklich nicht lange dort. Als mein Onkel gestorben ist, wollte ich weg und …»
    «Dein Onkel?», unterbrach sie die Frau des Kaufmanns ungeduldig. «Und was ist mit deinen Eltern?»
    «Sie sind tot. Ich habe keine Verwandten mehr.»
    «Das ist traurig.» Die Stimme der Hausherrin klang vollkommen gleichgültig. «Nun gut. Du machst einen ganz ordentlichen Eindruck. Das Kleid, das du da anhast, ist ein abgelegtes von deiner früheren Herrschaft, nehme ich an? Mägde können sich solchen Stoff normalerweise nicht leisten. Aber es sieht ja noch ganz gut aus, und dann muss ich dich wenigstens nicht einkleiden. Zeig mal deine Hände.»
    Pauline stellte ihre Tasche ab, die sie bisher noch immer fest umklammert hatte, und hielt der Frau ihre Hände hin.
    «Hm, schlecht. Keine Schwielen. Hast wohl nur leichte Arbeit verrichtet, was? Oder bist du vielleicht wegen Faulheit entlassen worden?»
    «Nein, ganz gewiss nicht!», rief Pauline erschrocken. «Ich habe auf die Kinder aufgepasst und …»
    «Ein Kindermädchen warst du?» Erneut traf Pauline ein Blick unter hochgezogenen Augenbrauen. «Na, vielleicht kannst du dann unserer Elfie ein wenig zur Hand gehen, wenn es nottut. Ansonsten wirst du dich um den Haushalt kümmern. Ich gebe dir eine genaue Aufstellung der Arbeiten, die du jeden Tag zu erledigen hast. Erst einmal für zwei Wochen auf Probe, dann sehen wir weiter. Wenn ich zufrieden mit dir bin, erhältst du neben freier Kost und Logis drei Mark im Monat. Mittwochs und sonntags je eine freie Stunde für den Kirchgang, jeden zweiten Sonntag ein freier Nachmittag. Ansonsten hast du dich jederzeit zur Verfügung zu halten. Müßiggang dulde ich nicht. Verstanden?» Ehe Pauline etwas darauf antworten konnte, wandte sich ihre neue Arbeitgeberin ab. «Komm mit, ich zeige dir deinen Schlafplatz. Danach setzte ich den Dienstvertrag auf und gebe dir deine Anweisungen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 2
    Bibbernd lag Pauline unter ihrer Wolldecke, die Knie bis zum Kinn angezogen. Mit den Händen rieb sie über ihre eiskalten Schienbeine und Füße. Nun war sie also ein Dienstmädchen. Ihre Arbeitgeber waren Ariane und Marius Stein. Er war ein sehr erfolgreicher und wohlhabender Kaufmann, sie stammte aus einer Bankiersfamilie. Sechs Kinder zwischen sieben und achtzehn Jahren hatten sie und noch einige weitere Dienstboten: einen Hausdiener, eine Köchin, einen Knecht, ein Kindermädchen und noch eine weitere Magd, die sich aber in Kürze verheiraten wollte. Ihren Platz sollte Pauline einnehmen.
    Natürlich war sie glücklich und erleichtert, dass ihr der Zufall zu Hilfe gekommen war. Aber schon nach den wenigen Stunden, die sie im Haushalt Stein verbracht hatte, war ihr klar geworden, was für ein Leben ihr hier bevorstehen würde. Tine, die andere Magd, hatte sie bereits eingearbeitet. Pauline war sich aber nicht sicher, ob sie all die anfallenden Aufgaben jemals würde bewältigen können. Es galt, das Haus zu putzen, das Silber zu polieren, Töpfe und Geschirr zusammen mit der Köchin zu spülen, Teppiche zu klopfen, Silber, Türdrücker, Ofentüren und Fenster zu reinigen, ebenso die Wasch- und Nachtgeschirre sowie alle Lampen. Die Betten mussten geklopft und bezogen und die einzelnen Zimmer gründlich gesäubert werden. Auch für Botengänge und Einkäufe musste sich Pauline bereithalten und, falls nötig, dem Kindermädchen Elfie bei der Beaufsichtigung der jüngeren Kinder helfen. Und all das nach streng
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