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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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«Stimmt, ich mag sie lieber ein bisschen molliger. So ein lecker Mädche, bei dem man gleich sehen kann, wo vorne und hinten ist.»
    Peinlich berührt senkte Pauline den Kopf und eilte zurück ins Haus. Hinter sich hörte sie die anderen Dienstboten lachen. Sie kletterte die Leiter zu ihrem Hängeboden hinauf, um die Bürste zu verstauen und ihr Handtuch ordentlich zum Trocknen aufzuhängen. Danach schlug sie die Leiter ab, wie Heiner es ihr gezeigt hatte, und verstaute sie in einer Nische unter dem Treppenaufgang. Bevor sie in die Küche ging, um sich ihr Stück Morgenbrot abzuholen, machte sie einen kleinen Umweg über den vorderen kleinen Salon. Dort pflegte die gnädige Frau am Abend Listen mit Aufträgen auszulegen, die die Dienerschaft zusätzlich zu den alltäglichen Pflichten zu erledigen hatte. Auf dem Zettel, der Paulines Namen trug, waren zwei Aufgaben verzeichnet: der Gang zum Schuster, bei dem zwei Paar Kinderschuhe abgeholt werden mussten, und das Polieren des guten Silbers, da am Nachmittag eine Teegesellschaft anstand.
    Sie nahm den Zettel und schob ihn in den Ärmel ihres Kleides, dann ging sie rasch in die Küche, um sich ihr Frühstück zu sichern. Morgens gab es dünnbestrichene Butterbrote für die Dienerschaft und etwas Milch. Die Köchin war schon dabei, den Ofen anzuheizen und Wasser aufzusetzen, mit dem sie der Herrschaft später Kaffee und Kakao aufbrühen würde. Tine saß ebenfalls bereits in der Küche und kaute an ihrem Brot. Die junge Magd wartete immer, bis alle anderen vom Brunnen fort waren, bevor sie sich einer Katzenwäsche unterzog. Als sie Pauline eintreten sah, winkte sie ihr und deutete auf zwei Eimer voller Holzscheite. «Da, die hab ich schon mal reingeholt. Du bist heute an der Reihe, die Öfen im Obergeschoss anzuheizen. Ich übernehme den Salon und den Laden. Ach ja, und wenn du oben mit Staubwischen und Putzen fertig bist, kannst du mir vielleicht noch hinten im Lager helfen. Heute soll eine neue Lieferung Kaffee und so für den gnädigen Herrn kommen, und wir müssen die Regale auswischen, bevor die Sachen eingeräumt werden.»
    «Aber ich muss noch zum Schuster und das ganze Silber polieren», protestierte Pauline schwach.
    Tine winkte ab. «Zum Schuster kannst du heute Nachmittag gehen. Die Regale sind viel wichtiger, weil die Warenlieferung um zwölf Uhr erwartet wird. Also beeil dich ein bisschen mit dem Silber.»
    «Es soll aber gründlich poliert werden», warf Pauline ein. «Ich will nicht riskieren, dass die gnädige Frau schimpft, weil ich nachlässig arbeite.»
    «Ach Jottchen!» Tine verdrehte die Augen. «Dann arbeite eben gründlich und schnell. Wie willste denn erst die ganze Arbeit schaffen, wenn ich nicht mehr hier bin?» Sie stand auf und wedelte mit der Hand. «Husch, husch. Wir haben alle viel zu tun.»
    Pauline würgte schnell den letzten Bissen ihres Brotes hinunter und spülte mit dem Rest Milch aus ihrem Becher nach. Dann schnappte sie sich die beiden schweren Holzeimer und trug sie ins obere Geschoss.
    Drei Stunden später saß sie an einem der Tische im großen Salon, vor sich einen großen Kasten mit Silberbesteck, von dem sie erst die Hälfte zum Glänzen gebracht hatte. Zweimal war Frau Stein bereits hereingekommen und hatte Paulines Arbeit bekrittelt. Dem scharfen Auge der Hausherrin entging nicht der winzigste Fleck auf dem guten Besteck. Paulines Schultern und Nacken schmerzten von der gebeugten Haltung, in der sie schon so lange dasaß. Eine Pause konnte sie sich jedoch nicht leisten. Nach dem Silber war das Reinigen der oberen Schlafräume an der Reihe. Und wenn sie Tine noch helfen wollte, würde sie sich sehr beeilen müssen.
    ***
    «Entschuldigen Sie bitte die Störung, gnädiger Herr.» In der Tür zu Julius Reuthers Arbeitszimmer war dessen Hausdiener Jakob aufgetaucht, wie immer in seinem schwarzen Anzug, der schon bessere Jahre gesehen hatte, und einem vorbildlich gestärkten Hemd. Das hellblonde, fast weiße Haar ließ ihn älter als seine 45 Jahre wirken. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch das hagere Gesicht mit der Adlernase und den klug dreinblickenden wasserblauen Augen.
    Julius hob nur kurz den Kopf. «Ja, was gibt es denn, Köbes?»
    Der Hausdiener trat einen Schritt näher. «Ich soll Sie daran erinnern, dass heute Abend die Gesellschaft bei der Familie Oppenheim stattfindet. Und heute Nachmittag ist eine Teegesellschaft bei den Steins, aber ich vermute, dort möchten Sie nicht hingehen?»
    Julius schüttelte den
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