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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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für eine Magd recht komfortabel sei, aber so ganz glauben konnte Pauline das nicht. Tine und Elfie teilten sich einen weiteren Hängeboden über der Küche. Zumindest so lange, bis Tine wegen ihrer Heirat das Haus verlassen würde. Vermutlich war es dort über dem Küchenofen wenigstens warm.
    Allmählich strömte Wärme durch ihre Beine, und Pauline schloss die Augen und versuchte einzuschlafen.
    ***
    Sie stand in Friedhelm Buschners Bibliothek und stellte die Bücher zurück ins Regal, aus denen sie den Mädchen heute Lektionen in Geographie und französischer Literatur gegeben hatte. Als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, drehte sie sich lächelnd um. Friedhelm Buschner trat auf sie zu, in der Hand eine Schachtel mit süßem Konfekt. «Ein kleines Geschenk für Sie, meine Liebe», raunte er und zwinkerte ihr zu. «Sie leisten hervorragende Arbeit, Fräulein Schmitz.»
    Erfreut nahm Pauline das Präsent an. «Vielen Dank, gnädiger Herr. Das ist sehr nett von Ihnen.»
    «Für Sie doch immer, mein liebes Fräulein Schmitz. Sie sind eine wahre Perle. Wir wüssten nicht, was wir ohne Sie tun sollten. Die Mädchen entwickeln sich prächtig unter Ihrer Anleitung. Und …» Er hielt einen Moment inne und trat noch einen halben Schritt auf sie zu. «Nun ja, was mich angeht, so muss ich sagen, dass ich Ihre Gesellschaft außerordentlich genieße.» Er hob die Hand und strich ihr sanft eine ihrer blonden Locken hinters Ohr.
    «Nein!» Pauline fuhr auf und starrte entsetzt in die Dunkelheit. Die Decke rutschte an ihr herunter; erst der kalte Luftzug, der sie erfasste, machte ihr klar, dass sie sich in ihrem Bett auf dem Hängeboden befand und nicht mehr in Buschners Haus. Ihr Herz pochte hart gegen ihre Rippen, ihr Atem ging viel zu schnell.
    Pauline bemühte sich, ruhig ein- und auszuatmen und ihre Gedanken auf die Arbeiten des kommenden Tages zu richten. Friedhelm Buschner war weit weg, zwischen seinem Haus in Bonn und dem Stein’schen Anwesen lagen viele Meilen. Obwohl sie sich redlich Mühe gab, an etwas anderes zu denken, dauerte es lange, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie wieder einschlafen konnte.
    ***
    Bibbernd stand Pauline am Brunnen hinter dem Haus und wusch sich Gesicht, Hals und Hände. Es hatte in der Nacht leichten Frost gegeben, und im Schein der Hoflampe glitzerte das Pflaster ringsum vom Reif. In den wenigen Tagen, die sie ihren Dienst tat, hatte sie sich angewöhnt, als Erste morgens zum Waschen hinauszugehen. Wenn der Knecht, die Köchin und der Hausdiener wach waren, hatte sie keine ruhige Minute mehr. Auch jetzt beeilte sie sich sehr. Nicht nur, weil die Luft eiskalt war, sondern vor allem, weil sie es nicht gewohnt war, sich mitten im Hof, möglicherweise vor aller Augen, zu waschen.
    Sie hatte bisher sehr viel Wert auf Körperpflege gelegt und regelmäßig ein Bad genommen. Selbst in ihrer Stellung als Gouvernante hatte man ihr dies zugestanden, da sie ständig an der Seite ihrer Schützlinge gewesen und daher zur sauberen, adretten Erscheinung verpflichtet war. Ein Dienstmädchen hingegen wurde anders behandelt. Sauber sollte sie sein, das war alles. Für Haarpflege oder gar gründliche Körperreinigung blieb nicht viel Zeit. Trotzdem brachte Pauline jeden Morgen ihre Bürste mit heraus und bearbeitete damit ihr honigblondes Haar, bis es knisterte und sich in seidigen Wellen um ihr Gesicht legte. Dann steckte sie es zu einem eher praktischen denn modischen Knoten auf.
    Sie wünschte sich, sie hätte die Möglichkeit, ihr Haar wieder einmal zu waschen, doch laut Tines Aussage bekamen die Dienstboten dazu nur selten Gelegenheit, und wenn, dann nur vor den Feiertagen oder in der warmen Jahreszeit.
    «He, Prinzessin, willst du noch länger Maulaffen feilhalten, oder dürfen wir allmählich auch mal ans Wasser?»
    Pauline erschrak, als sie die mokante Stimme des achtzehnjährigen Hausknechts Heiner direkt hinter sich vernahm. Feixend trat er neben sie und begann seelenruhig, den Eimer in den Brunnen hinabzulassen. Rasch trat Pauline beiseite und knöpfte mit fliegenden Fingern die oberen Knöpfe ihres Kleides zu. «Ich bin schon fertig», sagte sie und trat den Rückzug an, als auch die dicke Köchin Mathilde zum Brunnen kam.
    «Brauchst ja nicht gleich wegzulaufen, Kleine», kicherte sie. «Wir schaun dir schon nix weg. Dem Heiner biste sowieso zu dürr, nicht wahr, Heiner?»
    Der Knecht grinste breit und fuhr sich mehrmals mit nassen Händen durch sein kurzes blondes Haar.
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