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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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vun dr Strooß küss’!»
    Erschrocken trat Pauline beiseite, denn vor lauter Schauen hatte sie nicht bemerkt, dass hinter ihr weitere Pferdegespanne aufgetaucht waren. So viel Verkehr war sie nicht gewöhnt. Rasch drückte sie sich an den Straßenrand. Sie wollte der Frau danken, doch diese war bereits weitergegangen, ohne sie zu beachten.
    Die Tasche in ihrer Hand schien immer schwerer zu werden. Einige Passanten musterten sie neugierig, machten jedoch einen kleinen Bogen um Pauline.
    Waren ihre Kleider schmutzig? Ihr Haar unordentlich? Vorsichtig tastete sie nach ihrem Kopf, der von einer einfachen, schmucklosen und nicht zu großen Schute bedeckt war, unter der sie ihr welliges honigblondes Haar fest hochgesteckt hatte. Natürlich gab es keine modischen Korkenzieherlöckchen an ihren Schläfen. Für aufwendiges Frisieren war keine Zeit mehr gewesen. Wahrscheinlich sah man ihr die Aufregung und Anstrengungen der vergangenen beiden Tage an. Sie hatte versucht, sich nicht schmutzig zu machen. Ihr Kleid war dennoch inzwischen verknittert und am Saum eingestaubt. Würde sie in diesem Aufzug überhaupt eine Anstellung finden?
    Pauline seufzte innerlich. Als Gouvernante würde sie so gewiss niemand haben wollen. Sie musste sich irgendwo waschen und zurechtmachen. Aber wo? Sie hatte ja nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Zwar gab es in Köln bestimmt Mietshäuser, in denen einzelne Zimmer vermietet wurden, aber nicht an alleinstehende Frauen. Oder wenigstens nur dann, wenn sie eine feste Stelle hatten – in einer Manufaktur oder Fabrik vielleicht.
    Sie machte kehrt und ging die Hohe Straße entlang. Dabei kam sie am Redaktionsgebäude der Kölnischen Zeitung vorbei, vor dem ein Junge von höchstens zehn oder elf Jahren die neueste Ausgabe ausrief. Rasch kramte sie ein Geldstück aus ihrer Börse und kaufte sich ein Exemplar.
    Mitten auf der belebten Straße konnte sie die Zeitung nicht nach Stellenanzeigen absuchen. Also machte sie sich auf die Suche nach einem ruhigen Ort. Bald befand sie sich auf einem kleinen Platz. Dem Namen an der Fassade eines Kaufmanns zufolge war es der Laurenzplatz. Neugierig trat sie näher an das große Schaufenster des Geschäfts heran. Es handelte sich um einen Kolonialwarenladen. Neben Tabak, Zucker und Kakao gab es dort auch andere Genussmittel, getrocknete Früchte, Gewürze und importierte Alltagsgegenstände wie elfenbeinerne Kämme, seltene Stoffe, wundersame geschnitzte Figuren und allerlei mehr zu kaufen.
    Wehmütig betrachtete Pauline die Auslagen. Sie war bei ihrem verwitweten Onkel aufgewachsen und nie sonderlich wohlhabend gewesen. Dennoch hatten sie sich Kaffee, Kakao und hin und wieder Feigen oder andere Südfrüchte gegönnt. Nun schien es ihr, als wäre diese Zeit ein für alle Mal vorbei. Ihr Magen knurrte. Heute wäre sie schon mit einem Butterbrot und einem Becher Wasser zufrieden gewesen. Vielleicht einem schmackhaften Apfel. Doch sie scheute sich, Geld auszugeben, denn sie wusste nicht, wie lange sie mit dem wenigen, das sie noch hatte, würde auskommen müssen.
    «He da! Weg von meinem Fenster», rief eine aufgebrachte Männerstimme hinter ihr. Erschrocken drehte sie sich um und sah sich einem kräftigen, grauhaarigen Mann mit Kinnbart und erboster Miene gegenüber. «Was hat du hier zu suchen, Mädchen? Geh von dem Fenster weg, du versperrst meinen guten Kunden die Sicht.»
    «Entschuldigung.» Pauline machte einen Schritt rückwärts. «Ich wollte nicht … Ich habe nur …»
    «Nun hau schon ab.» Der Mann wedelte ungeduldig mit der rechten Hand, dann fiel sein Blick auf die Zeitung, die unter Paulines Arm klemmte, und ihre Reisetasche. «Oder bist du die Neue?»
    Pauline schluckte. «Die Neue?»
    Der Mann musterte sie eingehend. «Ja, die neue Magd. Bist wohl nicht allzu helle, wie? Haben dich deine Eltern ganz allein hergeschickt? Ohne Begleitung? Na, egal. Siehst ja ganz ordentlich aus. Dann komm mal mit rein. Meine Frau wird sich freuen, dass sich so schnell jemand für die Stelle gefunden hat.»
    Pauline zögerte nur kurz. Vielleicht hatte ihr Glück sie doch nicht ganz verlassen. Wenn sie hier eine Stellung fand, wären ihre schlimmsten Sorgen erst einmal beseitigt. Also folgte sie dem Mann in das Geschäft. Es roch nach orientalischen Gewürzen, gemahlenem Kaffee und Seife.
    «Hier entlang», sagte der Kaufmann und deutete auf eine Tür im hinteren Teil des Ladens. «Ariane!», brüllte er in harschem Befehlston. «Komm runter, die neue Magd ist
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