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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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Kopf. «Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.»
    «Sie wurden schon zweimal eingeladen und haben sich beide Male entschuldigen lassen, Herr Reuther.»
    «Du meinst also, sie würden es als Affront betrachten, wenn ich nicht hinginge?»
    Jakob lächelte schmal. «Die nächste Einladung sollten Sie annehmen, gnädiger Herr. Heute haben Sie eine gute Ausrede. Die Eltern Ihrer zukünftigen Gattin gehen schließlich vor.»
    Julius’ Kopf ruckte hoch. «Zukünftige Gattin? Woher hast du das denn schon wieder? Es handelt sich lediglich um einen Freundschaftsbesuch bei den Oppenheims.»
    «Natürlich, Herr Reuther.» Jakob nickte mit ernster Miene.
    «Von einer Hochzeit kann nicht die Rede sein.»
    «Natürlich nicht, Herr Reuther.»
    «Ich wünsche nicht, dass derartige Gerüchte in die Welt gesetzt werden, Köbes.» Julius runzelte die Stirn, als er das amüsierte Funkeln in den Augen seines Dieners wahrnahm. «Sonst noch etwas?»
    Jakob zögerte. «Ihr Fräulein Tochter hat einen schriftlichen Verweis von der Schule mitgebracht.»
    «Schon wieder?» Die Furchen auf Julius’ Stirn vertieften sich; er fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die kurzgeschnittenen braunen Locken. «Was ist es diesmal?»
    «Sie weigerte sich offenbar, einen Schmetterling zu sticken.»
    «Einen Schmetterling?» Irritiert legte Julius den Kopf schräg.
    «Im Handarbeitsunterricht», erklärte der Hausdiener. «Sie fragte die Lehrerin, weshalb sie Schmetterlinge sticken müsse, während die Jungen in der Schule gegenüber zur gleichen Zeit etwas über Napoleon und Amerika lernen dürfen. Das hat ihr einen schweren Rüffel und den Verweis eingebracht.»
    «Napoleon und Amerika, wie?» Um Julius’ Mundwinkel zuckte es. Er stand auf und trat an die Schrankwand hinter seinem großen Schreibtisch, zog einen schweren Atlas daraus hervor und reichte ihn seinem Diener. «Also gut, da dürfte eine Züchtigung notwendig sein. Übergib meinem Fräulein Tochter diesen Atlas und richte ihr aus, dass sie zur Strafe bis morgen früh alle Namen der nordamerikanischen Staaten und Territorien sowie deren Lage auf der Karte auswendig lernen muss. Zu jedem Staat und Territorium wünsche ich zudem mindestens eine Stadt und einen Fluss von ihr zu erfahren.»
    Köbes klemmte sich den Atlas unter den Arm. «Wie Sie wünschen, gnädiger Herr. Eine angemessen strenge Strafe, möchte ich hinzufügen, die zudem den Geist Ihres Fräulein Tochter fordern wird.»
    Julius nickte ihm zu. «Leider wird es sie nicht davon abhalten, sich weiterhin mit den Lehrern anzulegen.»
    «Ihr fehlt die leitende Hand einer Frau, gnädiger Herr.»
    Julius’ Miene verfinsterte sich. «Das weiß ich, Köbes.» Er setzte sich wieder an seinen Platz und blätterte in der Korrespondenz, die sich auf der Tischplatte stapelte. «Aber ich wünsche keines dieser hochnäsigen Frauenzimmer in meinem Haus. Mit Weibsbildern, die sich Gouvernanten schimpfen und selbst nicht mehr als Stroh im Kopf haben, will ich nichts zu tun haben.»
    Jakob zog ein wenig den Kopf ein, als er den gereizten Tonfall seines Herrn vernahm. Dennoch wagte er einzuwenden: «Es gibt auch sehr gebildete junge Damen, die Fräulein Ricarda sicherlich zu einer ausgezeichneten Erziehung verhelfen könnten. Und jung Peter ebenfalls, möchte ich anfügen.»
    «Ich will nichts davon hören», knurrte Julius verärgert. «Meine Meinung steht. Entweder sind diese Gouvernanten dumme Gänse, die nicht mehr können, als sich herauszuputzen und über die neuesten Tanzschritte zu gackern, oder sie sind tatsächlich einigermaßen gebildet und halten sich deshalb für etwas Besseres, beziehungsweise wollen sich durch eine Heirat eine angesehene Position erwerben. Das mag zwar aus Sicht dieser Damen klug und richtig sein, aber ich kann darauf verzichten, Köbes. Von beiden Sorten sollte jeder Mann, der seine fünf Sinne beisammen hat, die Finger lassen. Ganz gleich, wie sie sich gebärden, Frauenzimmer im Haus sind eine Gefahr für Ruhe und Seelenfrieden, und es ist besser, sich weitgehend von ihnen fernzuhalten.»
    «Wie Sie meinen, gnädiger Herr.» Jakob verbeugte sich kurz und wandte sich zum Gehen. Seufzend schloss er die Tür des Arbeitszimmers hinter sich und brachte der Tochter des Hauses den Atlas samt Lernauftrag ihres Vaters.
    ***
    Mit einem leeren Tablett auf dem Arm stand Pauline hinter der Salontür und lauschte andächtig der hellen Frauenstimme, die zur Musik auf dem Pianoforte eine liebliche Weise sang. Ohne es zu merken, wippte
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