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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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sich in einer Ecke des Salons aufzuhalten, für den Fall, dass einer der Gäste etwas benötigte oder Geschirr abgetragen werden musste. Also stellte sich Pauline neben die zweiflüglige Tür, wo sie hoffentlich niemanden störte.
    Sie war nicht faul und erst recht nicht einfältig, sondern einfach nicht an die schwere Arbeit gewöhnt! Aber auf gar keinen Fall durfte sie diese Anstellung verlieren. Dann stände sie wieder ohne Geld und Bleibe auf der Straße. Das durfte nicht geschehen. Sie musste alles tun, damit ihre Arbeitgeberin zufrieden mit ihr war.
    Christine, die älteste Tochter der Steins, ein hübsches, wenn auch etwas blasses blondes Mädchen von achtzehn Jahren, hatte ihre Gesangsdarbietung inzwischen beendet. Die anwesenden Damen und Herren klatschten Beifall, und sogleich ließ Pauline ihren Blick über die Teegesellschaft wandern. Wollte jemand noch Kaffee oder Kuchen? Am unteren Ende der Tafel winkte eine ältere Dame und verlangte nach einer neuen Serviette, da die ihre zu Boden gefallen war. Pauline brachte sie ihr und bemühte sich fortan, den Gästen ihre Wünsche von den Augen abzulesen. Das war nicht ganz einfach, aber Heiners Sticheleien und Frau Schnitzlers harte Worte hatten ihr Angst eingejagt. Es reichte offenbar nicht, die Arbeit zu tun, die man ihr auftrug. Sie musste gut getan werden. Sehr gut. So gut, dass Frau Stein sie fest einstellen und dies nicht bereuen würde.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 3
    «Herr Jakob, wann kommt mein Vater nach Hause?» Ricarda Reuther stand auf der untersten Treppenstufe. Mit der rechten Hand wickelte sich die Neunjährige eine lange Haarsträhne um den Zeigefinger.
    Jakob, der mit einem Eimer Holzscheite auf dem Weg in das Arbeitszimmer seines Herrn war, blieb stehen und stellte seine Last neben sich ab. «Er wird bald hier sein, Fräulein Ricarda. Heute ist Zahltag in der Fabrik, da bleibt er immer länger dort, das weißt du doch. Und hernach hat er noch einen Termin bei dem Bankier Schnitzler.»
    «Immerzu ist er fort.»
    Jakobs Miene wurde weich. «Er besitzt eine große Fabrik und trägt damit eine ebenso große Verantwortung, Fräulein Ricarda.»
    «Ich weiß.» Die Stimme des Mädchens klang gepresst.
    «Er wird sich sicher freuen, zum Abendessen deine Gesellschaft genießen zu dürfen. Und die deines Bruders.»
    «Er ist heute Abend irgendwo eingeladen. Das hat er mir heute Morgen gesagt.»
    Überrascht hob Jakob die Brauen. «Da weißt du mehr als ich. Von einer Einladung hat er mir gegenüber nichts erwähnt.»
    «Nie ist er hier. Immer nur zum Frühstück.»
    «Fräulein Ricarda …» Hilflos hob Jakob die Schultern.
    «Ich habe ein Bild für ihn gemalt.»
    «Oh. Das wird ihn bestimmt freuen.»
    «Ja, wenn er mal Zeit hat, es sich anzuschauen.»
    «Die Zeit wird er sich ganz sicher nehmen.»
    «Wie denn? Wenn er von seiner Einladung nach Hause kommt, bin ich schon im Bett und schlafe. Und morgens ist nie genug Zeit. Da fragt er immer nur, wie es in der Schule geht. Und dann lässt er Peter erzählen. Ist es, weil ich ein Mädchen bin?»
    Jakob stutzte. «Wie kommst du denn darauf?»
    «Na, weil er immer über Frauen schimpft.»
    «Schimpft?»
    «Na ja, nicht richtig schimpft. Aber er mag keine Frauen, oder? Er sagt gemeine Dinge über sie. Hat er meine Mutter überhaupt lieb gehabt?»
    «Aber natürlich hat er das.» Jakob wusste selbst, dass seine Antwort eine Spur zu schnell erfolgt war. Und er sah Ricarda an, dass sie dies sehr wohl bemerkt hatte.
    «Er hat überhaupt niemanden lieb. Nicht so richtig. Höchstens Peter, weil der ein Junge ist. Aber mich nicht und sonst auch niemanden.»
    Betroffen ging Jakob einen Schritt auf das Mädchen zu. «Das ist nicht wahr, Fräulein Ricarda. Dein Vater liebt dich und deinen Bruder sehr. Er ist … ein vielbeschäftigter Mann. Und er muss dafür sorgen, dass die Fabrik gut läuft und Gewinne abwirft, damit ihr beiden ein schönes Zuhause habt. Jung Peter kann dann einmal ein gutgehendes Geschäft erben, und du erhältst eine üppige Mitgift.»
    «Deshalb ist er nie da, ich weiß.» Ricarda senkte den Kopf und zupfte etwas heftiger an der Haarsträhne. «Trotzdem mag er keine Frauen und Mädchen. Das merkt man ihm an. Aber wenigstens heiratet er dann nicht irgend so eine dämliche Pute.»
    «Fräulein Ricarda!» Tadelnd hob Jakob den Zeigefinger. «Halte deine Zunge ein bisschen im Zaum. Was sind denn das für Ausdrücke?»
    Ricarda zuckte mit den Schultern, drehte sich um und stieg langsam die
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