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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters
Autoren: Paul Harding
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nur
einen Zoll.«
    Der Ritter nickte,
aber er wußte, daß der Seemann log. Er wandte sich an
den kleinen Jungen, der jetzt neben ihm stand. »Ein guter Tag
zum Sterben«, sagte der Ritter leise. »Hilf mir, die
Rüstung anzulegen.«
    Der Junge rannte zur
Reling und kehrte wankend unter der Last des schweren Kettenhemdes
zurück. Der Ritter sah sich um, während er sich für
die Schlacht ankleidete. Die Mannschaft hatte getan, was sie
konnte. Tödliche Stille lag jetzt über dem Schiff, nur
unterbrochen vom Plätschern des Wassers an seinen Flanken und
dem Gemurmel der herannahenden, dunklen Galeeren.
    »Sie bringen den
Tod«, murmelte der Ritter.
    Der Kapitän
hörte ihn und drehte sich rasch um.
    »Warum so
viele?« fragte er ratlos. »Als hätten sie
gewußt, daß wir hier sind.«
    Der Ritter streifte
mühsam das Kettenhemd über und schnallte sich den
ledernen Schwertgurt um den Leib.
    »Deine
Ladung?«
    Der Kapitän
zuckte die Achseln. »Fahrgäste«, sagte er.
»Einige Faß Obst. Weinschläuche. Ein paar Ellen
Tuch.«
    »Kein
Schatz?«
    Der Kapitän zog
eine verächtliche Grimasse und suchte aufs neue am Himmel nach
einem Windhauch; das goldene Gleißen der Sonnne war sein
einziger Lohn. Der Ritter betrachtete die Galeeren: lang, schwarz,
falkenhaft. Jetzt erkannte er an Deck die angetretenen Soldaten in
ihren gelben Baumwollgewändem und weißen Turbanen. Er
erstarrte, und seine Augen wurden schmal.
    »Janitscharen!«
    Der Junge blickte auf.
»Was, Herr?«
    »Bei den
heiligen Gebeinen«, erwiderte der Ritter. »Wieso jagt
die Elitetruppe, die Creme der muselmanischen Horden, mit Galeeren
einem Schiff hinterher, das nichts als Wein und Obst geladen
hat?«
    Der Junge schaute
stumm hoch, und der Ritter strich ihm über den
Kopf.
    »Bleib bei
mir«, flüsterte er. »Bleib an meiner Seite, und
zeige keine Furcht, wenn ich falle. So kommst du mit dem Leben
davon.«
    Die Galeeren rauschten
heran, und der Ritter roch den fauligen Gestank von Hunderten
schwitzender Sklaven an den Rudern. Er hörte die Befehle des
Maurenkapitäns, rauhe arabische Silben, die über das
Wasser hallten. Die Galeeren umzingelten das aufgebrachte Schiff,
und die Ruder blitzten weiß und tropfend wie Hunderte von
Speeren. Eine Galeere postierte sich achtem, die zweite vor dem Bug,
während die dritte und vierte der mächtigen Galeeren die
beiden Seiten übernahmen. Der Kapitän der Saint Mark
wischte sich mit dem Ärmel seines Wamses den Schweiß aus
dem Gesicht.
    »Vielleicht
greifen sie nicht an«, sagte er leise. Er drehte sich um, und
der Ritter sah die Erleichterung in seinem Blick. »Sie wollen
verhandeln.«
    Behende wie ein Affe
kletterte der Kapitän wieder aufs Achterdeck. Die Galeere an
Steuerbord schob sich näher heran, und der Ritter erkannte die
strahlend bunten Livreen einer Gruppe maurischer Offiziere. Einer
von ihnen erklomm jetzt die Reling der Galeere.
    »Seid ihr die
Saint Mark aus Famagusta?« rief er herüber.
    »Ja«,
antwortete der Kapitän. »Wir haben nur Passagiere und
Dörrobst an Bord. Es herrscht Waffenstillstand«,
fügte er flehend hinzu. »Euer Kalif hat einen Eid
geschworen.«
    Der maurische Offizier
griff nach zwei der aufgestellten Ruder, um sich
festzuhalten.
    »Du
lügst!« schrie er. »Du hast einen Schatz an Bord -
einen Schatz, der unserem Kalifen gestohlen wurde. Übergib
ihn, und laß uns dein Schiff nach dem Schurken durchsuchen,
der ihn geraubt hat.«
    »Wir haben
keinen Schatz«, wimmerte der Kapitän.
    Der Offizier sprang
herunter. Eine beringte Hand durchschnitt die Luft, ein gutturaler
Befehl erklang. Der Kapitän der Saint Mark drehte sich um und
sah verzweifelt den Ritter an; im selben Augenblick brachen er und
der Steuermann unter einem Pfeilhagel zusammen, der von den
Galeeren herüberschwirrte. Der Ritter klappte lächelnd
das Visier seines Helms herunter und zog den Jungen neben sich.
Dann packte er sein großes zweischneidiges Schwert und
stellte sich mit dem Rücken zum Mast. »Ja«,
flüsterte er. »Es ist ein guter Tag zum
Sterben.«
    Die Kesselpauken auf
den Galeeren schlugen den Rhythmus des Krieges, Becken krachten,
Gongschläge hallten. Die genuesischen Bogenschützen auf
dem Handelsschiff taten ihr Bestes, aber die Galeeren schoben sich
heran, und die gelbgewandeten, von Rauschgift entfesselten
Janitscharen stürzten an Deck der Saint Mark. Hier und dort
kämpften und starben kleine Gruppen von Pilgern und
Kaufleuten. Einzelne versuchten, nach unten in die Dunkelheit
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