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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters
Autoren: Paul Harding
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getreuer
Mörder«, sagte Sir John leise.
    »Aye«,
bestätigte Athelstan. »Wahnsinnig oder besessen,
getrieben von Haß und Rachsucht.« Er schaute zu den
Raben hinauf, die über ihnen krächzten. »Ich bin
froh, hier wegzukommen, Sir John. Dieser Ort stinkt nach
Tod.«
    »Er heißt
Das Haus des Roten Schlächters.«
    »Der Name
paßt gut«, meinte Athelstan.
    Sie traten beiseite,
als Colebrooke vorbeimarschierte. Parchmeiner, stramm gefesselt,
war inmitten seiner Bewacher kaum zu erkennen. Dann kam der Diener
mit Cranstons Dolch; sie strebten der nächstbesten Schenke
zu.
    Sir John verlangte
naturgemäß »Erfrischung« nach dem, was er
eine »mühselige Plackerei« nannte. Athelstan tat
es ihm Becher für Becher nach. Schließlich trennten sie
sich. Sir John feierte weiter, während Athelstan den
widerstrebenden Philomel nach Billingsgate und über die London
Bridge heim in die dunkle Einsamkeit von St. Erconwald
führte.
    *
    Ein paar Tage
später saß Athelstan auf seiner Bank gleich hinter dem
Chorgitter, den behaglich schnurrenden Bonaventura auf dem
Schoß. Der Bruder sah sich im Chorraum um. Alles war bereit
für das Weihnachtsfest. Auf dem Altar lag ein frisches,
goldgesäumtes Tuch, der Chorraum war ausgefegt, der Altar mit
Efeu und Stechpalmen umkränzt, und grüne Blätter und
blutrote Beeren schimmerten im Kerzenlicht. Die Kinder hatten ihr
Maskenspiel aufgeführt. Athelstan lachte leise beim Gedanken
daran, wie Crim, der den Joseph spielte, das Stück für
einen kurzen Faustkampf mit einem der Engel unterbrochen hatte.
Cecily hatte das Kirchenschiff ausgefegt und die Simse abgestaubt,
und morgen würde er drei Messen feiern, eine im Morgengrauen,
eine am Vormittag und eine am Mittag. Er schloß die Augen. Er
würde seiner eigenen Toten gedenken, seiner Eltern und seines
Bruders Francis, aber auch der Männer, die im Tower
umgebrachtworden waren, und des jungen Parchmeiner, der sicher
hängen würde.
    Der Bischof hatte ihm
erlaubt, seinen Friedhof neu zu weihen, und Pike hatte
erzählt, daß Doktor Vincentius verschwunden sei.
Benedicta war bestürzt gewesen, und Athelstan verspürte
noch immer Gewissensbisse. Geistesabwesend gab er Bonaventura einen
Kuß zwischen die Ohren. Er hatte sich bei allen Beteiligten
für seinen Zornesausbruch nach Tosspots Grabschändung
entschuldigt.
    Athelstan seufzte.
Alles schien in Ordnung zu sein, aber war es das auch? Weihnachten
würde verstreichen, das Fest der Erscheinung des Herrn
würde kommen und mit ihm neue Probleme. Vielleicht würde
er ein Fest veranstalten, ein Bankett für den Gemeinderat, um
sich bei allen für ihre Freundlichkeit zu bedanken. Watkin
hatte ihm einen neuen Löffel aus Horn geschenkt, Ursula, die
Schweinebäuerin, eine Speckseite. Von Pike hatte er eine neue
Hacke für seinen Garten bekommen, von Ranulf, dem
Rattenfänger, ein paar Handschuhe aus Maulwurfsfell, und
Benedicta, möge Gott sie segnen, war mit einem dicken
Wollmantel gekommen, der ihn vor den Unbilden des Winters
schützen sollte. Aber morgen, nach der Messe, würde er
allein sein. Athelstan starrte in die Kerzenflammen.
    Verbarg Gott sich
hinter dem Feuer? fragte er sich und schloß die
Augen.
    »O Herr der
verborgenen Flammen«, betete er, »warum ist es so
schrecklich, allein zu sein?« Er sprang auf und grinste, als
die Kirchentür aufgestoßen wurde. »Gütiger
Gott«, flüsterte er. »Von der Macht des Gebetes
habe ich ja schon gehört, aber das hier ist wirklich ein
Wunder.«
    »Mönch!«
brüllte Cranston und stand wie ein Koloß in wehenden
Gewändern in der Kirche. »Ich weiß, daß du
hier bist, Athelstan. Wo versteckst du dich, verdammt? In drei
Teufels Namen, es ist noch zu früh für deine verdammten
Sterne!« Athelstan trat unter dem Chorgitter hervor.
»Sir John, Ihr seid höchst willkommen.« Er schaute
den Coroner aufmerksam an. »Doch nicht schon wieder ein
Mord?«
    »Das will ich
nicht hoffen, verflucht!« röhrte Cranston; er kam
näher und klatschte in die Hände. »Ich brauche eine
Erfrischung, Bruder! Willst du mir nicht Gesellschaft
leisten?«
    »Natürlich,
Sir John. Aber diesmal bezahle ich.«
    »Ein Pfaffe, der
bezahlt, was er trinkt«, neckte Cranston. »Es muß
wirklich Weihnachten sein.«
    Athelstan holte seinen
Mantel, den er über den Taufbrunnen geworfen hatte, und
zusammen traten sie hinaus in die kalte Nachmittagsluft.
    »Laß uns
ins Geschenkte Pferd gehen«, schlug Cranston vor. »Ein
guter Rotwein und ein heißer Eintopf werden uns guttun -
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