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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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zum Fernglas greifen sollte, doch meine Neugier hatte sich verflüchtigt. Die muschelbesetzte Gestalt hob sich für einen Moment aus den Wellen und verschwand gleich wieder in der Bademaschine. Die Tür fiel zu, und die Maschine rollte aufs Trockene zurück.
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte ich leise.
    Portula musterte mich skeptisch. »Damit muss man bei dir immer rechnen.«
    »Vor der Landung habe ich mir für den Fall, dass Herr Nebuly nicht so entgegenkommend sein sollte, wie ich mir das erhoffte, einen Blick auf die Sonnensysteme in der Nähe geworfen. Knapp hundert Lichtjahre entfernt und mehr oder weniger auf dem Heimweg liegt ein Sonnensystem mit Namen Nelumbium. Dem Speicher zufolge …«
    »›Dem Speicher zufolge.‹ Wo habe ich das schon mal gehört?«
    »Lass mich ausreden. Es soll dort ein posthumanes Wesen geben, das Ateshga genannt wird. Angeblich verfügt es über Raumschiffe, viel mehr als Nebuly, und es wird kaum einen so hohen Preis verlangen.«
    »Weshalb sind wir nicht gleich dorthin geflogen?«
    »Der Eintrag ist nicht so aktuell, wie es mir lieb wäre, daher gibt es einen gewissen Unsicherheitsfaktor.«
    »Unsicherheitsfaktor. Das habe ich auch schon mal gehört.«
    »Außerdem hätten wir uns noch weiter von der Vigilanz entfernt – hätten wir Nelumbium direkt angesteuert, dann hätte es keine Möglichkeit mehr gegeben, Doktor Meninx abzusetzen.«
    »Wenn der Eintrag nicht aktuell ist, woher willst du dann wissen, ob dieser Ateshga überhaupt noch dort ist?«
    »Ich habe das Aktuar zu Rate gezogen – die Prognose sieht gut aus.«
    Portula lehnte sich im Weidenkorbsessel zurück und musterte mich mit ihren unterschiedlich gefärbten Gentian-Augen. »So sieht also dein Vorschlag aus. Du willst dich zur Vigilanz schleichen, den Doktor abliefern und dann zu Ateshga weiterfliegen.«
    »Eigentlich nicht. Ich schlage vor, den Zwischenstopp bei der Vigilanz ganz zu streichen.«
    Eine Sorgenfalte grub sich in ihre Stirn. »Und ihn lassen wir hier?«
    »Die Entscheidung liegt bei ihm. Wenn er möchte, nehme ich ihn bis zur Reunionswelt mit.«
    »Das wird ihm nicht gefallen.«
    »Dem gefällt gar nichts – ist dir das schon aufgefallen?«
    Eine schmale Gestalt näherte sich von der Bademaschine her. Als sie näher gestapft kam und über die bröcklige Treppe zur Straße hochstieg, stellte sich heraus, dass es sich um eine papierene Ausschneidefigur handelte – einen mit Wasserdiamanten besetzten Harlekin. Die zweidimensionale Gestalt – die dem Wind ebenso wirksam trotzte wie Herr Nebulys Schriftstück – war der humanoide Avatar von Doktor Meninx. Als der Avatar sich näherte, ließ auch Nebuly seine rot gewandeten Zentauren stehen und kam zu uns zurückgetrabt. Er traf als Erster ein, als der Avatar noch gut hundert Meter entfernt war.
    »Ich nehme an, Sie sind zu einer Entscheidung gelangt, verehrte Splitterlinge«, sagte er.
    »Ich fürchte, ich muss Ihren Vorschlag ablehnen«, sagte ich. »Das soll nicht heißen, dass Ihre Bedingungen nicht großzügig wären, doch ich muss realistisch sein. Ich glaube, anderswo bekomme ich einen besseren Preis für meine Daten.«
    »Sollten Sie an Ateshga denken, würde ich Ihnen dringend abraten. Er hat einen sehr schlechten Ruf.«
    Ich rieb mir Sandkörner aus den Augen. »Ateshga – wer ist das?«
    »Nur eine Warnung, Splitterling – es liegt an Ihnen, ob Sie sie beherzigen wollen.« Er fuhr mit den Händen über das Brustteil seines Nadelstreifenanzugs. »Nun, ich bedaure, dass wir nicht zu einem Abschluss gelangt sind, doch das soll uns nicht davon abhalten, als Freunde auseinanderzugehen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unsere Welt wieder besuchen würden, und hoffen, Sie hatten einen angenehmen Aufenthalt.«
    »In der Tat«, sagte Portula. »Sie waren ein ausgezeichneter Gastgeber, Herr Nebuly; ich werde der Familie nur Gutes zu berichten haben.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Er wandte sich dem Avatar zu und verneigte sich leicht aus der Verbindungsstelle von Menschen- und Pferdekörper heraus. »Sie haben Ihr Bad aber schnell beendet, Doktor. Ich hoffe, es ist zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen?«
    »Nein«, antwortete der Avatar mit Piepsstimme. »Das Bad war alles andere als zufriedenstellend, weshalb ich es baldmöglichst wieder abgebrochen habe. Da sind Lebewesen im Wasser – dunkle, schnell schwimmende Wesen, die mein Sonar nicht gut erkennen konnte -, und die Temperatur und der Salzgehalt entsprachen ganz
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