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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis
Autoren: Alon Hilu
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Mutter früh zu Bett gegangen war, eine träge Sommerbrise Jasminblütenblätter vor der Tür unseres Hauses verstreute und die Frösche aus voller Kehle unter den grünen, dichtbelaubten Bäumen der Obstpflanzung ihr Quaken zum Besten gaben, habe ich die Geschichten, die ich schreibe, beiseitegelegt und bin zu Aminas Kämmerchen gegangen, um eine Menschenseele zu finden, bei der ich meine brennenden, die Seele zerfressenden Geheimnisse abladen kann. Ich fand unsere Dienerin anihrem Platz, sie ließ mich auf ihren Knien Platz nehmen, küsste mich auf die Wange und fragte mit süßer, einschmeichelnder Stimme, ob Mutter mir schon einmal von den wahren Begebnissen auf unserem Anwesen erzählt habe.
    Ich sagte ihr, Mutter würde mir niemals etwas anvertrauen, um nicht Furcht bei mir zu wecken, da sie stets in großer Sorge um mich und ängstlich auf mein Wohlergehen bedacht, weshalb sie mir alles Mögliche verbiete, wie etwa auf unserer Eselin zu reiten oder Fahrrad zu fahren, da ich hinfallen und mir ein Bein brechen könnte oder von räuberischen Beduinen überwältigt oder übellaunigen Kindern geschlagen werden. Unsere alte Dienerin Amina betrachtete mich die ganze Zeit über mit besonderer Aufmerksamkeit, ihr runzliges Gesicht von Falten zerfurcht, ehe sie sich zu mir hinabbeugte und mit heiserer, ein wenig verhaltener Stimme fragte, was mir über die bezaubernde
Biara
bekannt sei, den Teich in unserem Obsthain, der von einer kühlen Quelle gespeist wird und von dem sich viele Kanäle der Länge und Breite nach durch unser Anwesen schlängeln, um den Obstgarten und die Zitrusplantage zu bewässern, die runden und tiefen Mulden um die Bäume zu tränken. Ich sagte ihr, von all dem sei mir nichts bekannt, worauf sie mir, da die Öllampe lange und finstere Schatten auf ihr Gesicht warf, dieses Geheimnis anvertraute, das meine Mutter und mein Vater vor mir verborgen gehalten, dass nämlich in dem Bewässerungsteich unseres Landgutes, in den allertiefsten Tiefen, zwischen den Schilf- und Papyrusstauden und unter den Wurzeln der Wasserlilien und dem Froschlaich ein grünäugiger Dschinn von schwarzer, glatter Haut wohne, der die Seelen der Toten zu sich in die Tiefe hinabziehe und jedes unschuldige Kindchen, das sich an dem kühlen Wasser erquicken wolle, in die sanften Wellen locke, weshalb ich mich stets von der
Biara
fernhalten solle und mich ihrem verlockendenNass nicht nähern dürfe. Als die Alte mit ihrer Geschichte geendet, drückte sie mir einen schelmischen Kuss auf die Wange und schickte mich auf mein Zimmer, um mich zur Nachtruhe zu begeben, unterdessen auf ihrem von Falten zerfurchten Gesicht das Lächeln einer alten Hexe spielte.
    Jedoch, ich stieg nicht die Treppe unseres Hauses empor zu meinem Gemach, um dort in süßen Schlaf zu sinken, sondern nahm all meinen Mut zusammen und schritt den von weißen Steinen bezeichneten Weg bis zu dem kleinen, verborgenen Pfad, der jetzt, bei Nacht, noch ungleich schwerer auszumachen war, da Schleiereulen mir in den Ohren lagen und Raben von ferne krächzten, als ich mich dem Teich näherte, all meine Sinne ein stummer Schrei und Schauder, auch wenn ich mir sagte, Amina habe mich zum Besten gehalten und dass ihre Worte nichts weiter als ein Ammenmärchen, eine Fabel für verängstigte Kinder, denn wie sollte ich jemals imstande sein, den Mantel der Männlichkeit anzulegen, wenn ich nicht in meinem Empfinden Lappalien dieser Art zu beherrschen lernte? Ich näherte mich dem Rand der
Biara
, und jedes noch so liebliche Säuseln der Wellen klang in meinen Ohren wie der Schrei von tausend Hexen, jedes Funkeln und jeder Widerschein der stummen Sterne erschien mir wie der irisierende Blick des grünäugigen Dschinns.
    Doch siehe da, schon bald ging mein Atem ruhiger, trat ein Lächeln auf meine Lippen, ja ich fasste Mut und tauchte meine Finger in das dunkle Nass, dessen Berührung bei Nacht angenehm und wohltuend war, nahm einen kleinen, leicht gezackten Stein und schleuderte ihn in die Tiefen des Teiches, um den Dschinn zu reizen und seine Augen zu blenden. Dann richtete ich mich zu voller Größe auf, füllte meine Lungen mit der kühlen Nachtluft, wandte dem Teich den Rücken und begann, mit kleinen Schritten von dort wegzugehen, erstarrte jedoch sogleich, daeine tiefe, harsche Stimme die Wellen erzittern ließ und mein Nachthemd zum Beben brachte, die heisere Stimme eines boshaften Dschinns, der die Leichen kleiner Kinder frisst und nach ihrem Blut dürstet, um so seine
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