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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten
Autoren: Valter Hugo Mae
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was passiert ist, lässt sich das verstehen. Was für eine Krankheit habe ich, Américo, was ist das? Ich weiß nicht, ob es eine Krankheit ist, das ist nur die Erschöpfung, das macht Sie nervös. Als läge es an den Nerven. Ich habe gute Nerven. Sie müssen sich beruhigen. Weißt du, dass Fische ein Sekundengedächtnis haben? Diese hübschen Fische, die du in den kleinen Aquarien siehst, weißt du, dass sie ein Sekundengedächtnis haben, drei Sekunden in etwa. Darum werden sie nicht verrückt in diesen engen Aquarien, weil sie gewissermaßen alle drei Sekunden an einem Ort sind, den sie noch nie gesehen haben und nun erkunden können. So müssten wir sein, alle drei Sekunden wären wir von der kleinsten Äußerung des Lebens beeindruckt, denn die lächerlichste Sache auf dem ersten wahrgenommenen Bild wäre eine funkelnde Explosion der Erkenntnis, lebendig zu sein. Du verstehst. Alle drei Sekunden würden wir das mächtige Gefühl empfinden zu leben, ohne dass etwas anderes wichtig wäre, nur diese staunende Feststellung. Américo antwortete, es wäre schade, wenn Sie sich nicht an mich erinnerten, Senhor Silva, mir gefällt diese Theorie über die Fische nicht, damit würden Sie sich nicht an mich erinnern.

22 Das Hochgefühl vor dem Tod

    Man wollte mich in den linken Flügel schaffen. Ich wusste, dass sie mich in den linken Flügel schaffen wollten. Ich fragte, ist der Spanier gestorben, ist es der Spanier, der gestorben ist? Américo sagte, nein, was für ein Unsinn, der Spanier schreit wie immer wütend aus voller Kehle. Ich wollte es nicht glauben. Ich schaute in meinem Zimmer hierhin und dorthin, und ich sah Mariechen, die tieftraurig ihre Täubchen und ihre Wolke eingebüßt hatte. Wer konnte mir helfen? Ich fragte wieder, bist du sicher, dass der Spanier nicht gestorben ist?, und Américo sagte, nein, und wiederholte noch einmal, nein. Bringt mich zusammen mit Mariechen weg, lasst mich nicht hier. Sie haben sich an ihr festgehalten, Senhor Silva, und sie betet schon für Sie. Sie gehört mir, mir tut es leid, wenn sie fern von mir ist. Und ich will nicht in den linken Flügel, dort habe ich keinen Garten und sehe nur den Friedhof. Dann kann ich auch gleich auf den Friedhof runter. Man hat es eilig, mich tot zu sehen. Sie wollen mich hier nicht haben, dort im linken Flügel stirbt man. Américo widersprach, noch sei es nicht so weit, aber wegen der üblichen Praxis dürfe ich nicht hierbleiben, im linken Teil befinde sich der klinische Teil des Heims, dort gebe es medizinische Technik und eine angemessenere Pflege. Der klinische Teil?, rief ich. Und er sagte, ja, Senhor Silva, die Kranken kommen in die Zimmer dort, da haben wir das Pflegepersonal, die Tropfe und die Beatmungsmaschinen, das ist besser so, dann bekommen Sie nicht wieder diese Hustenanfälle. Damit Sie sich besser und sicherer fühlen, Senhor Silva, das wissen Sie doch. Ich fragte, ach, Américo, aber der Spanier ist tot, der Gestorbene ist der Spanier. Wer ist denn nun gestorben? Wer ist der Tote?
    Der europäische Silva kam und erzählte, der Spanier liege immer noch wütend in seinem Bett, neben dem von Senhor Medeiros. Man habe ihm die Handgelenke festgebunden, damit er sich nicht den Tropf abreißen könne und, wie man glaubte, damit er sich nicht auf die Leute stürzt. Und zwar, weil man nun annahm, dass der Spanier Enrique versucht hätte, Senhor Medeiros zu erwürgen, und weil dieser noch weggetretener aussah als sonst, so als habe er ein paar Schläge auf den Kopf bekommen. Der Spanier erzählte schon allen von den Maschinen, die man über seinem Kopf aufbaue, dass sie sein Blut durch Spritzen leiteten und mit nicht identifizierten Medikamenten vermischten, weil sie sehen wollten, wie sich unter ihrer Einwirkung seine Persönlichkeit veränderte. Aber seine Persönlichkeit sei nicht eine Handvoll von irgendwelchem Zeugs und ließe sich auch nicht mit einer Unmenge von Waschmitteln wegspülen. Er brüllte das so laut er konnte hinaus, am Tage sollten alle erfahren, wie viel Schlechtes man ihm in der Nacht antäte. Der europäische Silva sagte, Freund Silva, das gehört eben zu so einer überzeugenden Geistesverwirrung dazu, dass man wirklich glaubt, man werde von einer Bande von Gangstern angegriffen. Ich antwortete, der arme Esteves, unser armer Esteves. Als gehörte Esteves zu uns dazu und als bildeten wir, der europäische Silva und ich, Senhor Pereira und auch noch Anísio mit den strahlenden Augen eine richtige Familie, eine neue
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