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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Dieser Stich traf sie nicht weniger hart als der Moment, in dem man sie von Keanu trennte. Der Blick des Arztes folgte ihr auf das Schiff, doch sie vermochte nicht darin zu lesen.
    Elsa durchlebte eine harte Zeit mitten im australischen Outback. Die Arbeit in dem Straflager war zwar leicht – es gab nun wirklich Schlimmeres, als Kinderspielzeug zu bauen. Außerdem war sie nicht allein, denn mit ihr lebten und arbeiteten mehr als fünfzig andere Frauen, die wie sie selbst kollaboriert hatten, zumeist aus Liebe zu einem Japaner. Aber die Trennung von der Familie, die Abwesenheit alles Gewohnten und die ungewisse Dauer ihres Aufenthaltes waren zermürbend.
    Gelegentlich kam ein kurzer Brief. Mehr als ein beschriebenes Blatt Papier pro Monat durfte sie nicht empfangen, und niemals durfte sie selbst schreiben. Die wenigen Zeilen, jeweils von Paulette, Iolana, Mele und Keanu geschrieben, versuchten ihr positive Nachrichten und größtmögliche Normalität zu vermitteln.
    Der Schutt in Rabaul war weggeräumt worden, und der Krieg war auch in den Köpfen vorbei. Viele Europäer und Australier waren in ihre Ursprungsländer zurückgegangen, darunter auch Myrtle Malone. Mehr und mehr Tolai prägten das Stadtbild, und bald entstand eine Mittelschicht aus Einheimischen, Filipinos und Chinesen. Auf einigen Transparenten, die an Häuserwänden hingen, forderten die Menschen bereits einen unabhängigen Staat, der aus Neuguinea und dem Bismarck-Archipel bestehen sollte. Der Krieg hatte die Gesellschaftsstrukturen aufgebrochen und verändert. Prinzessin Elsa, Kaiserin Elsa, Verräterin Elsa – all das war offenbar Geschichte.
    Der Großteil der Familie lebte, nachdem das Haus der blauen Schmetterlinge an Fremde verkauft worden war, im » Pacifico « . Paulette war die Managerin des Cafés und ließ als solche gerade ein Restaurant anbauen. Die Geschäfte liefen gut. Gung fungierte als Oberkellner. Iolana hatte einen Mann kennengelernt, einen Tahitianer, der sogar bei Paulette Gnade fand – und sei es nur, weil er für wenig Geld hervorragende Arbeit hinter dem Tresen leistete. Mele entwickelte sich offensichtlich zu einem selbstbewussten Teenager und nahm sich Freiheiten heraus wie Elsa zu ihren besten Zeiten als Kaiserin. Keanu dagegen schrieb mit der fürchterlichsten Klaue die schönsten Zeilen. Ein einfaches » Ich vermisse dich « gab Elsa die mütterliche Herzensnahrung für einen ganzen Monat.
    Lucas und Lucille gingen nach Paris, wo sie an der Sorbonne studierten. Paulette teilte Elsa mit, dass Lucas inzwischen selbst Bekanntschaft mit einer »verbotenen Leidenschaft« gemacht hatte – der zu einem Mann. Nun konnte er Elsa besser verstehen. Lucille schloss sich der Meinung ihres Bruders an, und im Frühjahr 1947, nachdem die Bedingungen im Straflager gelockert worden waren, erhielt Elsa einen Brief der beiden Geschwister. Das Schreiben war humorvoll und beinahe geschwätzig, weshalb kein Zweifel daran bestand, dass alle Differenzen zwischen ihnen beigelegt waren.
    Auf einen Brief von Max wartete Elsa vergeblich. Ab und zu erwähnte ihn Keanu immerhin. Der Arzt lernte mit ihm, angelte mit ihm, feuerte ihn beim Kricket an … Sie lebten in seiner Hütte, in einfachen Verhältnissen, und zum Abendessen gingen sie ins » Pacifico « .
    Im Herbst 1947, nach etwas mehr als zwei Jahren Lagerhaft, wurden Elsa und die anderen Frauen ohne jegliche Vorwarnung entlassen. Sie hatten eine halbe Stunde Zeit, um sich reisefertig zu machen. Ein klappriger Bus brachte sie zur Küste, wo Elsa schnell noch ein Telegramm ans » Pacifico « abschickte, bevor man sie auf einen alten Kohledampfer verfrachtete.
    Mit dem ersten fahlen Licht des Tages lief der alte Kahn in die Matupi Bay ein. Das Geräusch, das er dabei machte, stand in heftigem Gegensatz zu der atemberaubenden Schönheit ihrer Heimat. Einige Delphine begleiteten den Dampfer, und beinahe schien es Elsa, als wären sie eigens für sie gekommen. Sie stand am Bug, um keinen einzigen Augenblick des Wiedersehens zu verpassen. Da waren die herrlichen kleinen Inseln mit den Bäumen, die sich an den steilen Felsen festkrallten, da waren die mächtigen grauen Vulkane, die Fischer, die ihre Netze auswarfen, die erntenden Austernfarmer, halbwüchsige Perlentaucher, der aus dem Morgendunst sich schälende Wald, die weiße Stadt, die Elsa einst mitgestaltet hatte … In der
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