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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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aufhören, für ihn zu betteln und sich so unerträglich zu erniedrigen. Henning hatte offenbar keine Schwierigkeiten damit, ihren Anblick auszuhalten.
    Otto tat sich schwerer.
    »Zeigt Gnade«, bat seine Mutter.
    »Das habe ich jetzt schon so oft getan«, antwortete er leise. »Aber es hat nichts genützt. Er hat nicht das Geringste daraus gelernt. Also, wie oft soll ich noch gnädig sein? Bis es ihm endlich gelungen ist, mich zu stürzen und zu ermorden und er die Krone trägt? Das ist es doch, was Ihr immer wolltet, nicht wahr? Und jetzt seid so gut und erhebt Euch.«
    Mathildis blieb, wo sie war, senkte nicht einmal die flehend erhobenen Hände. »Das war es, was ich wollte«, räumte sie ein. »Aber es war der eitle und dumme Wunsch einer Mutter, die sich von der Liebe zu ihrem Sohn blenden ließ. Und ich schwöre bei der Gnade unseres wiederauferstandenen Erlösers, dass ich meinen Irrtum erkannt habe. Und bereue. Ihr seid der König von Gottes Gnaden. Somit kann Henning nicht König von Mathildis’ Gnaden werden. Ihr seid es, dessen Herrschaft meine Gebete und die aller Kanonissen von Quedlinburg von nun an begleiten werden. Und darum bitte ich Euch in aller gebotenen Demut und Reue: Schont das Leben Eures Bruders.«
    Otto schwieg und ließ sich Zeit mit seiner Entscheidung. Er kam nicht umhin, die Strategie seiner Mutter zu bewundern: Je tiefer sie sich demütigte, desto schwerer machte sie es ihm, an seinem Urteil festzuhalten. Und dennoch schuldete er es Gott und den Menschen, die seiner Herrschaft anvertraut waren, seine eigene Unversehrtheit nicht unnötig aufs Spiel zu setzen, indem er Henning am Leben ließ. Er dachte an Thankmar, der seine Revolte gegen Ottos Thron mit dem Leben bezahlt hatte. Er wusste genau, dass er selbst ihn in diese Revolte getrieben hatte, und er fragte sich, ob Gott wollte, dass er aus den Fehlern von damals lernte und den Bruder, der ihm geblieben war, noch einmal schonte, um ihnen beiden eine allerletzte Chance zu geben.
    Er kehrte zu seinem Thronsessel zurück und nahm Platz, legte die Hände auf die Armlehnen und ließ den Blick einen Moment über die Gesichter schweifen, die ihm alle in gespannter Erwartung zugewandt waren. Einen Moment verharrte er bei Tugomir und Gero, und dann traf er seine Entscheidung.
    »Ich weiß nicht, ob du in der Lage bist, eine allerletzte und unverdiente Chance zu schätzen, Henning, aber du bekommst sie. Allerdings erscheint es mir weise, dich bis auf Weiteres von mir fernzuhalten und sicher zu verwahren. Du wirst bis zur Hinrichtung deiner Mitverschwörer hier in Quedlinburg bleiben, denn ich möchte auf keinen Fall, dass du sie versäumst. Anschließend schicke ich dich in strenge Festungshaft. Nach Ingelheim.«
    Mathildis bekreuzigte sich und stand auf. »Habt Dank, mein König«, flüsterte sie, und für einen Moment musste sie sich auf Liudolfs Schulter stützen. Vermutlich war es die Erleichterung, die ihre Knie weich machte.
    Wie Otto erwartet hatte, wusste Henning sein Glück nicht zu schätzen. »Ingelheim?« Vielleicht hatte es entrüstet klingen sollen, aber es geriet dünn und ängstlich. Und das zu Recht. Ingelheim war eine wundervolle Pfalz am Rhein, die der große Karl hatte erbauen lassen, doch ihre Verliese waren berüchtigt. »Wie lange?«
    »Solange es mir gefällt, Bruder«, antwortete Otto mit einem Lächeln. »Solange es mir gefällt, denn ich bin der König.«

Brandenburg, April 941
    Auch Tugomir hatte Gericht zu halten, als er einige Tage später mit Widukind und Dragomira nach Hause zurückkehrte. So überstürzt war sein und Geros Aufbruch nach Quedlinburg gewesen, dass er vorher keine Zeit gefunden hatte, über das Schicksal derer zu entscheiden, die sich gegen ihn verschworen hatten und seine Frau und sein Kind bei lebendigem Leibe hatten verbrennen wollen.
    Die Verschwörer waren derweil im Keller unter der Halle eingesperrt und streng bewacht worden – nicht nur, um ihre Flucht zu verhindern, sondern vor allem, um sie vor dem Zorn der Heveller zu bewahren, die Tag für Tag in Scharen aus der Vorburg und sogar aus den umliegenden Dörfern auf die Burg gezogen waren, um die Herausgabe der Verräter zu fordern. Manches Mal hätten sie ihre liebe Mühe gehabt, die Leute zu beruhigen und nach Hause zu schicken, hatte der alte Godemir Tugomir berichtet.
    Tuglo hatte es tief erschüttert, dass ihr Plan gescheitert war, der neue Gott über die alten Götter triumphiert und er selbst die Ergebenheit der Heveller
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