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Das große Buch vom Räuber Grapsch

Das große Buch vom Räuber Grapsch

Titel: Das große Buch vom Räuber Grapsch
Autoren: Gudrun Pausewang
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auf, kläffte ihn an und trollte sich erst davon, als Grapsch ihn mit einer Katerstimme anfauchte. Zu guter Letzt, als er aus dem Feld kroch, geriet er mit der linken Hand in einen Kuhfladen. Er wischte sie sich an der Hose ab. Sein Herz schlug laut. Er fühlte sich wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt.
    Schon zehn vor halb vier klopfte er an das kleine Haus am Rand von Juckendorf.
    Er klopfte nur zaghaft. Trotzdem bebte die Tür. Olli machte ihm auf. Sie strahlte. Sie hatte ihr gelbes Sonntagskleid an, das mit Spitzen und Rüschen verziert war.
    „Oh du mein Rosenkötterchen", flüsterte sie, zupfte ihm ein paar Kletten aus dem Bart, zog ihm eine Kornblume aus dem Ohr und fasste seine linke Hand: „Komm herein - der Kaffee ist schon fer-tig!"
    Sie wunderte sich, weil sie ihn nicht wieder loslassen konnte. Kuhmist klebte beide Hände zusammen.
    Hastig wollte sie ihn zum Waschbecken zerren. Aber in das winzige Badezimmer passte er nicht hinein. Nun, das war nicht weiter schlimm, denn seine Arme waren so lang, dass sie vom Flur bis zum Waschbecken reichten.
    Olli schrubbte ihm die Flände ab und schnitt ihm auch noch schnell die Nägel.
    Grapsch musste den Kopf einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen. Auch seine Schultern passten nicht in den schmalen Flur. So kam es, dass er einen ausgestopften Uhu von seinem Ast wischte. Der Uhu fiel in den Schirmständer. Als sich Grapsch nach ihm bücken wollte, stieß er gegen den Spiegel, der klirrend zerbrach. Erschrocken richtete sich Grapsch wieder auf. Dabei fegte er vier Damenhüte von der Hutablage. Nun wagte er sich überhaupt nicht mehr zu rühren. Stocksteif ließ er sich von Olli in die gute Stube schieben.
    Das Erste, was ihm ins Auge fiel, waren die Sparschweine. Auf dem Regal, auf dem Wandbrett, auf der Nähmaschine, in der Vitrine -

    überall standen Sparschweine: große, kleine, einige mit Blümchen auf dem Rücken, andere mit vierblättrigen Kleeblättern, manche blasser, manche getönter, diese mit Kringelschwänzchen nach links, jene mit Kringelschwänzchen nach rechts - aber alle mit zwei rosa Nasenlöchern auf dem Rüssel. Mittendrin stand Ollis Tante mit der Kaffeekanne in der Hand und machte ein erschrockenes Gesicht. Sie war nicht sehr viel größer als Olli, aber sie hatte eine tiefe Falte zwischen den Brauen und eine Nase so groß und scharf wie ein Küchenmesser.
    „Ich bin's gewesen, Tante Hedwig", sagte Olli. „Ich bin aus Versehen gegen den Spiegel gestoßen. Ich bezahl ihn auch. - Schau, Tante, das ist er, mein Bräutigam."
    Die Tante reichte Grapsch die Hand. „Nicht drücken!", flüsterte Olli dem Räuber zu.
    „Sie, Herr Förster, wollen also meine Nichte heiraten?", fragte die Tante und starrte ihn mit ihren kurzsichtigen Augen an. „Wie lautet noch schnell Ihr werter Name ?"
    „Was?", fragte Grapsch und ließ den Mund offen stehen. „Wie du heißt", flüsterte Olli. „Rosenkötterchen", stotterte er.
    „Rosenkötterchen?", fragte die Tante scharf. „Diesen Namen habe ich hier noch nie gehört."
    „Tassilo ist erst kürzlich ins Juckener Ländchen gekommen", rief Olli hastig.
    „Tassilo?", fragte die Tante. „So heißt hier nur einer: der Grapsch. Auch so ein Riese wie Sie. Ein wüster Kerl. Ein Bösewicht. Stellen Sie sich vor: Gestern Früh hat er mir - einer schutzlosen Witwe! -meine drei Kaninchen geraubt!"
    Grapsch stand da mit eingezogenem Kopf. Ihm fiel nichts anderes ein als zu husten. Davon flogen die kunstvoll gefalteten Servietten vom Tisch. Er wollte sie noch erhaschen. Aber da stieß er mit dem Kopf gegen den Kronleuchter, der über dem Tisch hing. „Nun", sagte die Tante, „für den Namen können Sie nichts. Seien Sie willkommen. Nehmen Sie Platz."
    Olli schob ihm schnell einen Stuhl unter. Aber als sich Grapsch darauf setzte, brach der Stuhl unter ihm zusammen. Er bemühte sich, wieder hochzukommen, ohne irgendwo anzustoßen. Aber es war alles so eng. Und so streifte er eine Tänzerin aus Porzellan von der Kommode und die Blumen vom Tisch, bis er endlich auf einer Truhe saß, die sein Gewicht aushielt.
    Olli und ihre Tante schoben den Kaffeetisch zu ihm heran. Vorsichtig streckte er seine Beine unter dem Tisch aus. Sie ragten am anderen Ende noch ein ganzes Stück heraus. Und da geschah schon das nächste Unglück: Die Tante, die gerade Kaffee in die Tassen goss, stolperte über die Räuberfüße und wäre hingefallen, hätte Olli sie nicht aufgefangen. Der Kaffee schwappte aus der Kanne auf den
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