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Das große Buch vom Räuber Grapsch

Das große Buch vom Räuber Grapsch

Titel: Das große Buch vom Räuber Grapsch
Autoren: Gudrun Pausewang
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erinnerte an einen Geierschnabel. Aber am räuberischsten sah der Bart aus. Das war ein Bart! Rabenschwarz überwucherte er das halbe Gesicht von Ohr zu Ohr, sprosste sogar aus den Nasenlöchern, hing über den Mund herab wie Baumflechten, wärmte ihm die Brust, wehte hinter ihm her, wenn er lief. Er reichte ihm bis zum Nabel, und jedes Haar war so dick wie ein Pferdehaar, aber gekraust. Was alles in diesem Bart hing! Moosflöckchen und dürre Blätter, Heu und Tannennadeln, Fledermauskot und Vogeldreck, Eierschalen und Hühnerknöchelchen vom letzten Essen. Sogar Schmetterlinge hatten sich darin verpuppt. Und natürlich wimmelte er von Läusen. Aber das störte Grapsch nicht. Schon als Kind hatte er sich immer am Kopf kratzen müssen. Die Kratzerei gehörte einfach zu seinem Räuberleben.
    Ihm war's egal, wie er aussah. Für einen Räuber ist das ja auch nicht so wichtig. Und so lief er jahrelang im selben Hemd herum, das er irgendwo geklaut hatte. Er wusch und flickte es nie. Er trug es so lange, bis es ihm von selber vom Leib fiel. Dann raubte er sich irgendwo ein neues.
    Nur mit seinen Hosen hatte er Ärger. Sie zerrissen und zerschlissen so schnell. Schließlich raubte er einem einsamen Wanderer, der ahnungslos durch den Rabenhorster Wald latschte, die Lederhosen. Aber sie waren viel zu klein für seinen gewaltigen Hintern.

    „Dummer Kerl", schnauzte er den "Wanderer an, der schlotternd in Unterhosen vor ihm stand. „Warum musst du auch so klein sein? Aber das Leder ist gut. Lederhosen will ich haben. Lederhosen müssen es sein!"
    Er stöberte nachts in Bockenbeins Haus für Lederbekleidung auf dem Juckenauer Marktplatz herum. Da gab es Lederhosen für Wanderer, Motorradfahrer und Bayern in allen Größen. Aber keine war groß genug für ihn. So kam's, dass er eines Nachts vor dem Bett des Schusters Sparbrod stand und knurrte: „Näh mir eine Lederhose, Mann! Jetzt sofort!"
    „Ich bin kein Schneider", sagte der Schuster bebend, „sondern ein Schuhmacher."
    „Kannst du Leder schneiden?", herrschte ihn Grapsch an. „Kannst du Leder nähen ? Na also!"
    „Aber ich kann nicht garantieren, dass sie sitzt", jammerte der Schuster. „Und dann das Modische!"
    „Sie muss haben, was jede Hose hat: ein Bauchloch, zwei Beinlöcher und einen Schlitz", sagte der Räuber. „Alles andere ist mir völlig Wurscht. Zieh dich an. Pack dein Werkzeug zusammen. Nimm Leder mit. Alles, was du hast. Wird's bald ? Und mucks dich nicht!"
    Er schubste ihn in den Wald, mitten auf eine Insel im Sumpf. Dort hielt er ihn drei Tage gefangen. Ab und zu warf er ihm eine knusprig gebratene Kitzkeule oder leckeres Wildschweinschaschlik zu, denn er war kein herzloser Mann. Und kaum hatte er die Hose an, drückte er dem Schuster als Lohn ein Paar goldene Ohrringe in die Hand, die er beim Juwelier Klunkermann geraubt hatte. Er half ihm aus dem Wald heraus und schickte ihn heim.
    Es war eine prächtige Hose geworden, aus vielen Lederstücken zusammengesetzt, braun, grün und schwarz, eine richtige Tarnhose. Sie hatte ein Bauchloch, zwei Beinlöcher und einen Schlitz, ja sogar zwei Taschen. Grapsch wurde glänzend mit ihr fertig, auch wenn sie anfangs fast so steif wie ein Kanalrohr war. Fünf Jahre lang hatte er nun keine Scherereien mehr mit Hosen. Er trug sie Tag und Nacht. Und nach den fünf Jahren, als er auch diese Hose durchgewetzt hatte, holte er sich wieder den Schuster in den Wald. Der begriff nun, dass es immer so weitergehen würde: alle fünf Jahre eine Entführung. Und er legte sich schon ein paar Wochen vorher alles bereit - vor allem eine Zahnbürste und einen Schlafsack.

Hier lebt's sich gut -obwohl es stinkt

    Grapsch hauste in einer großen Höhle. Darin hatten auch schon seine Eltern und seine Großeltern gehaust. Deshalb hatten die Polizisten nie ein Räuberhaus finden können. Die Höhle lag gut versteckt in einem Dickicht zwischen Sümpfen. Vor dem Eingang wucherten Brombeeren. An den dornigen Ranken hingen unzählige krause schwarze Strähnen aus Grapschs Bart, die im Wind wogten. Und da hingen sogar noch Strähnen aus den Bärten der früheren Grapsche!
    Er lebte allein in seiner Höhle. Hier war es ganz still. Nur die Wassertropfen, die von der Felsendecke herabfielen, machten plopp -plopp. Und draußen sauste der Wind in den Wipfeln. Die Höhle war dunkel und feucht. Da war es kein Wunder, dass Grapsch immer wieder Taschenlampen raubte! Taschenlampen, Kerzen und Streichhölzer ließ er bei jeder Gelegenheit
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