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Das große Buch vom Räuber Grapsch

Das große Buch vom Räuber Grapsch

Titel: Das große Buch vom Räuber Grapsch
Autoren: Gudrun Pausewang
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mitgehen. Überall hingen schlafende Fledermäuse, die nur nachts erwachten und dann lautlos durch die Höhle segelten. Manchmal verhedderten sie sich in Grapschs Bart. Aber er schlug sie nicht tot. Er war ja, wie schon gesagt, kein herzloser Mann.
    Es stank fürchterlich in seiner Höhle. Überall war Fledermauskot verkleckert, und in den Ecken lagen abgenagte Knochen herum. Mitten im Raum stand ein großer Eichenholztisch mit zwölf Stühlen, daneben ragte ein riesiger Schrank mit sieben Fächern und dreizehn Schubladen, von denen man aber nur zwölf sehen konnte. Die dreizehnte war eine Geheimschublade, aber sie klemmte. In diesen Schrank stopfte Grapsch seine Beute. Und dann gab es natürlich noch eine Feuerstelle, über der ein Suppenkessel hing - der Suppenkessel, den seine Mutter seinem Vater vor die Füße geworfen hatte, bevor sie zum Zirkus gegangen war. Aber meistens war Grapsch zu faul, sich eine Suppe zu kochen. Lieber briet er sich ein Stück Fleisch am Grill. Am liebsten aber aß er, was andere Leute gekocht hatten. So raubte er gern um die Mittags- oder Abendbrotzeit, wenn gerade das Essen auf den Tischen stand. Dann grapschte er sich gleich seine Mahlzeit aus den dampfenden Schüsseln und kaute und schmatzte. Die hungrigen Überfallenen mussten zusehen, wie ihre guten Speisen in seinem Rachen verschwanden. Denn er hielt seine Pistole auf sie gerichtet, während er sich voll stopfte.
    Unter einem überhängenden Felsen hatte er sein Bett. Das bestand aus einem Haufen Heu und einer rosa geblümten Steppdecke, die er einmal einer alten Dame von der Teppichstange geklaut hatte.
    An den kältesten Wintertagen hingen Eiszapfen von der Höhlendecke herab, und wenn Grapsch morgens aufwachte, war sein Bart weiß bereift. Nein, gemütlich war es wirklich nicht in seiner Höhle! Aber er hatte es nie gemütlich gehabt. Von klein auf hatte er hier gelebt. Er kam nie auf den Gedanken, anders leben zu wollen oder anderswohin zu ziehen. Wenn ihn seine Frostbeulen juckten, spuckte er darauf und beschimpfte sie. Ja, er sprach mit seinen Frostbeulen. Er hatte ja niemanden, mit dem er sprechen konnte, außer denen, die er überfiel. Aber zu ihnen sagte er auch nur: „Hände hoch!", oder „Geld oder Leben!" Darauf ließ sich kaum etwas antworten, und so kam meistens kein Gespräch zu Stande. Ist es da etwa verwunderlich, dass er mit seinen Frostbeulen redete ? Er unterhielt sich auch mit den Fledermäusen. „Ihr Teufelsbraten!", schrie er und drohte mit der Faust, wenn ihm ihr Kot ins Auge gefallen war. „Könnt ihr euren Dreck nicht bei euch behalten?" Oder er sprach mit sich selber. „Na, Tassilo", sagte er, als er mit verquollenen Augen und verstopfter Nase aufwachte, „heute wird's nichts mit unserem Bankraub."
    Darauf nieste er so laut, dass der alte Förster Emmerich, der gerade am Waldrand entlangschlurfte, verblüfft den Kopf hob und zu seinem Hund sagte: „Hast du das gehört, Karo? Kanonendonner. Es wird doch kein Krieg ausgebrochen sein ?"

Ein Bart als Regenschirm oder: Keine Angst vor Räuber Grapsch

    An einem Samstagmorgen im Juli stapfte Grapsch durch den Wald auf seine Höhle zu. Er kam von Juckendorf. In seinem Sack zappelten drei Kaninchen. Die hatte er in aller Frühe geraubt und wollte sie sich übers Wochenende braten. Er aß zwar lieber Wildschweinfleisch als Kaninchenfleisch, aber Wildschweine ließen sich nicht rauben. Man musste schon Glück haben, wenn man eins vor die Flinte bekam. Und noch größeres Glück brauchte man, um es auch zu treffen. Kaninchen aber fanden sich immer. Man brauchte sich nur unbemerkt an einen Kaninchenstall heranzuschleichen. Und in Juckendorf gab es viele Kaninchenställe.
    Es war ein schwüler Morgen. Grapsch stapfte durch Blaubeergebüsch und freute sich schon auf die Kaninchenbraten. Er musste nur noch zwischen zwei Sümpfen und durch ein Dickicht durch, dann war er daheim. „Haltet Ruhe da hinten!", sagte er laut zu den Kaninchen im Sack. Ein Gewitter zog auf. Er schritt schneller aus. Er wollte nicht nass werden.
    Plötzlich sah er etwas Buntes zwischen den Blaubeersträuchern. Blitzschnell warf er sich hin. Mit seinem schwarzen Struwwelhaar, seinem schmutzigen Hemd und seiner Tarnhose sah er von weitem aus wie ein Ameisenhaufen. Gespannt spähte er durchs Gestrüpp. War hier wieder mal die Polizei zugange, um nach ihm zu schnüffeln?
    Da trippelte das Bunte auch schon auf ihn zu. Kurz bevor es über ihn stolpern musste, sprang er blitzschnell auf und
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