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Das große Buch vom Räuber Grapsch

Das große Buch vom Räuber Grapsch

Titel: Das große Buch vom Räuber Grapsch
Autoren: Gudrun Pausewang
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noch nie in meinem Leben gesehen. Ich muss mich erst dran gewöhnen."
    Und schon huschte sie hin und her. Sie strich über die Tischplatte. Sie beugte sich über die Feuerstelle, wobei sie mit der Stirn gegen den rußigen Suppenkessel stieß. Sie bestaunte den riesigen Schrank. Sie befühlte die rosa Steppdecke im Heu und schreckte dabei eine Fledermaus auf, die sogleich lautlos durch die Höhle segelte. „Eigentlich toll, das Ganze hier", sagte sie. „Mal was andres. Man müsste es nur erst mal gründlich sauber machen und dann ein bisschen wohnlicher einrichten: Knochen raus, Heu raus - Kissen rein,
    Felle an die Wand, Teppiche auf den Boden. Aber Sie stehen ja noch pudelnass da, Herr Grapsch! Wollen Sie eine Lungenentzündung bekommen ?"
    Noch bevor er Zeit hatte, etwas zu sagen, hatte sie ihm schon die Streichhölzer aus den Fingern gerissen und machte sich unter dem Suppenkessel zu schaffen.
    Bald loderten die Flammen auf. Mit Mühe schob sie einen der zwölf klobigen Stühle vor das Feuer und rief: „Setzen Sie sich, Grapsch!" Er gehorchte benommen und ließ sich mit einem lauten Seufzer auf den Stuhl fallen. Erst zog sie ihm das nasse Flemd über den Kopf, das dabei in Fetzen ging. Dann wand sie ihm den Bart aus. Da sie kein Handtuch fand, rubbelte sie ihm Haar und Bart mit Heu trocken. „Herrje, was für ein Filz!", rief sie. „Wann haben Sie sich denn das letzte Mal gekämmt ?" Er dachte lange nach, dann sagte er: „Nie."
    „Und Läuse haben Sie auch", klagte sie. „Da muss etwas geschehen. Läusepulver muss her!"
    „Wo kann man das denn rauben?", fragte er. „Man kann sich doch auch mal was schenken lassen, nicht wahr ?", sagte sie. „Morgen bringe ich Ihnen Läusepulver und mache hier mal Ordnung. Denn Sie können einem Leid tun, wirklich. Und jetzt muss ich gehen. Tschüss, bis morgen."
    Damit griff sie nach ihrer Blaubeerkanne und schlüpfte aus der Höhle - ohne ihm die Hand zu schütteln.
    Aber da dröhnte plötzlich ein gewaltiger Donnerschlag. Die Kerze verlöschte, das Feuer blakte heftig. Olli quietschte vor Schreck und rannte durch das Dickicht davon, geradewegs in den nächsten Sumpf. Zum Glück kam Grapsch in großen Schritten hinterher und konnte sie noch rechtzeitig an ihrem roten Schopf herausziehen. Nur die Blaubeerkanne fand er nicht mehr, so eifrig er auch im Morast nach ihr fischte.
    „Das gibt Ärger daheim", keuchte Olli und wischte sich den Schlamm von der Nase. „Ich wohne bei meiner Tante, Hedwig Huch. Die ist sehr streng. Die wird böse. Jedenfalls herzlichen Dank fürs gerettete Leben. - Nein, wie konnte das Gewitter nur so plötzlich zurückkommen ?"
    „Das war kein Gewitter", sagte Grapsch. „Das war ich. Ich hab niesen müssen."
    Da lachte Olli schallend. Sie lachte über sich selbst. Das kann nicht jeder.
    Es war schon ein komischer Anblick, wie sie so schmutzig durch den Wald davonwieselte.
    „Bei der großen Eiche links abbiegen", brüllte er ihr nach, „sonst versinkste im nächsten Sumpf!"
    „Danke!", rief sie zurück. „Und von der Höhle verrat ich nichts!"
    Er schaute ihr nach, bis sie nicht mehr zu sehen war. Dann stolperte er heim in seine Höhle. Er setzte sich auf den Stuhl vor dem Feuer und blieb dort sitzen, bis seine Tarnhose so trocken war, dasssie knackte. Dabei kämmte er sich den Bart mit den Fingern und sagte zu den Fledermäusen: „Morgen dürft ihr nicht kleckern. Morgen bekomme ich Besuch."
    Noch einmal nieste er gewaltig. Dann tappte er hinaus, riss sich ein paar große Huflattichblätter ab und sagte zu ihnen, während er in sie hineinschnäuzte: „Und von der Höhle verrät sie nichts."

Mit Schrubber und Seife in die Höhle

    Am nächsten Morgen saß Grapsch auf einer Buche am Waldrand und schaute nach Olli aus. Als sie endlich schwer bepackt herangekeucht kam, rutschte er wie der Blitz den Stamm hinunter. Ollis ganzes sommersprossiges Gesicht strahlte, als sie ihn sah. „Wenn meine Tante wüsste, wo ich hinwill!", rief sie und wollte sich ausschütten vor Lachen. „Sie glaubt, ich besuche Oma Lisbeth in Juck am See! Das Zeug da hab ich natürlich vor ihr versteckt." In jede Hand schob sie ihm drei volle Einkaufstaschen. Sie selbst behielt einen Rucksack, einen Eimer und einen Schrubber. Eine Weile gingen sie nebeneinander her. Grapsch versuchte langsamer zu gehen, Olli bemühte sich, schneller zu gehen. Sie musste drei Schritte machen, wenn er nur einen einzigen machte. Davon kam sie ganz außer Atem. Schließlich blieb er
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