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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro
Autoren: Andreas Izquierdo
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und total modern.
    Wehmeyer goss sich ein drittes Glas ein, trank es in einem Zug aus, aber die Leichtigkeit, die er eben noch alkoholbedingt gespürt hatte, war jetzt fort. Zurück blieb nur das Gefühl, das Richtige getan, aber das Falsche erreicht zu haben. Er starrte auf seine schwarzen Socken und die polierten Schuhe und hatte das Gefühl, dass er sich nicht mehr rühren konnte.
    Seine Frau steckte den Kopf zur Tür herein und mahnte: »Du wirst noch zu spät kommen!«
    Wehmeyer saß einfach nur da.
    »Gehst du nicht zur Beerdigung?«
    Sein Blick wurde leer, er hatte keine Kraft mehr.
    Alles, was er je hatte erreichen wollen, war Amtsleiter zu sein. Er würde es nicht mehr werden, weder im Amt für Verwaltungsangelegenheiten noch in irgendeinem anderen Amt. Sommerfeldt hatte dafür gesorgt. Und Wittmann würde ihn niemals gehen lassen, denn er sollte jeden Tag unter ihm dienen müssen.
    Jeden verdammten Tag.
    »Ich kann nicht …«, antwortete er leise.
    Er sah zu seiner Frau auf und sagte: »Ich kann nicht.«

68.
    Es wurde eine schöne Trauerfeier.
    Aus dem Amt war nur Susanne gekommen, die gleich neben Anna in der ersten Reihe der kleinen Kapelle saß. Dahinter saßen einige Menschen, denen Albert geholfen hatte. Sie betrachteten das schöne Foto, das gleich vorne neben dem kleinen Altar auf einer Staffelei stand. Albert sah zufrieden aus, wie er da so in den Raum blickte, der stille graue Mann mit den dunklen, warmherzigen Augen. Und jeder, der ihn gekannt hatte, fühlte sich selbst jetzt noch an sein kleines Büro erinnert, mit dem man ihn ständig in Verbindung brachte.
    Der Pfarrer hielt eine witzige Rede auf Albert, beschrieb, wie Albert nicht nur ein ganzes Amt, sondern ein ganzes System in Atem gehalten hatte. Anna und Susanne hatten ihn gut instruiert, sodass die Trauernden gar nicht anders konnten, als hier und da leise zu kichern über Albert und sein Glücksbüro. Selbst Anna lachte, denn ihr wurde erst jetzt bewusst, welche Kraft Alberts kleines Glücksbüro entwickelt hatte.
    Wenn er doch nur mehr Zeit gehabt hätte!
    Wenn sie beide doch mehr Zeit gehabt hätten. Wäre sie genauso erfüllt gewesen? Hätten sie mehr erreichen können? War ein Stern schöner, der seit Millionen Jahren auf die Erde schien, oder eine hell leuchtende Schnuppe, die plötzlich vom Himmel fiel? Anna sah zu Alberts Bild hinüber und dachte: Nicht die Reibung ließ die Sternschnuppe leuchten, sondern die heimlichen Wünsche der Menschen, die zu ihr hinaufsahen. Das ist Magie, Albert. Verstehst du? Magie. Das hat nichts mit Physik zu tun. Du, der stille Mann aus dem Amt, hattest eine Jahrtausendbegabung, das Leben deiner Mitmenschen zu verändern, ohne dass du das von ihnen gefordert hättest. Du hast nichts verlangt und alles verwandelt. Wie eine Sternschnuppe in der Nacht.
    In der letzten Reihe, abseits der anderen, saß ein junger Mann, der am lautesten lachte, ja, man konnte sagen Tränen lachte, obwohl er gar nicht fröhlich aussah: Mike Schulze. Nie hatte er sich so sehr in einem Menschen getäuscht und doch irgendwie richtiggelegen wie bei Albert Glück. Er hatte ihn als Superhelden verspottet, dabei war er einer gewesen. Er hatte ihn für einen blutleeren Bürokraten gehalten, dabei hatte er eine Revolution angeführt. Albert war alles das, was Mike gerne gewesen wäre. Auf seine eigene, stille Art hatte ihm Albert eine Tür geöffnet. Und dahinter lag ein neues Feld. Mit schönen geraden Linien und viel Platz für ein neues Spiel.

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