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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro
Autoren: Andreas Izquierdo
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Dieser Mensch hat zu verschwinden. Heute noch!«
    »Belassen wir es doch dabei …«
    Sommerfeldt rang mit seiner Fassung, denn Widerspruch ekelte ihn förmlich an, und dieser Wehmeyer querulierte in einer Art und Weise, wie das seit Jahren niemand mehr gewagt hatte. Dennoch brauchte er ihn, denn von diesem Skandal durfte nichts an ihm selbst hängen bleiben. Ganz gleich, wie diese Sache ausging, er musste sie so steuern, dass er als Gewinner daraus hervorging. Doch wenn jemand gewann, dann bedeutete dies in der Regel auch, dass jemand anderes verlor. Im besten Fall nur dieser Albert Glück – doch sollten sich die Dinge nicht wie gewünscht entwickeln, dann brauchte er einen Sündenbock. Jemanden, den er verantwortlich machen konnte. Und dieser Jemand war: Wehmeyer.
    »Sie verstehen nicht, worum es hier geht«, begann Sommerfeldt versöhnlich.
    »Doch«, antwortete Wehmeyer, »ich soll den Ruf und das Lebenswerk eines Mannes ruinieren.«
    » NEIN !«
    Es fiel Sommerfeldt zunehmend schwer, ruhig zu bleiben, dennoch wollte er Wehmeyer noch nicht ganz aufgeben.
    »Sie verstehen gar nichts, Wehmeyer. Sie haben überhaupt keine Ahnung, worum es wirklich geht. Ihnen fehlt einfach der Blick über den Tellerrand!«
    »Was meinen Sie?«, fragte Wehmeyer.
    »Hier geht es nicht um Glück! Hier geht es um die Nation! Verstehen Sie das?«
    »Nein.«
    Sommerfeldt winkte verächtlich ab und setzte sich wieder in seinen Sessel: »Hätte mich auch gewundert …«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen.
    Dann fragte Wehmeyer: »Wie wollen wir jetzt verfahren?«
    Sommerfeldt schlug mit der Hand auf den Schreibtisch: »Der soll verschwinden! Raus aus meinem Amt!«
    »Und der Skandal?«
    »Verhindern Sie ihn, Wehmeyer. Zeigen Sie mir, dass Sie zu Höherem berufen sind.«
    Nach der ganzen Aufregung kehrte plötzlich eine unheimliche Stille ein. Das war der Augenblick, vor dem sich Wehmeyer gefürchtet hatte. Doch jetzt, wo er da war, schien ihm der nächste Schritt nicht nur folgerichtig, sondern er hatte auch jede Angst davor verloren. Es ging nicht nur um die Entscheidung, ob er hier und heute seine Karriere beendete oder nicht, es ging vielmehr um die Entscheidung, welcher Mensch er zukünftig sein wollte. Konnte er Albert Glück opfern, damit er die Dinge später einmal ändern konnte? War das Schicksal eines Todgeweihten wichtiger als das der vielen, die unter Sommerfeldt gelitten hatten und es unter einem nachfolgenden, ähnlich veranlagten Direktor vielleicht wieder tun würden?
    War es das wert?
    Wehmeyer sah Sommerfeldt ruhig an und sagte: »Ich werde nichts tun.«
    » WIE BITTE? «
    Es war, als fiele alle Last von ihm ab. Nicht einmal die Schreiattacken berührten ihn noch. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen, und das gab ihm auch die Kraft, Sommerfeldt völlig gelassen entgegenzutreten.
    »Albert Glück ist ein guter Mensch. Und er wird bald sterben. Ich werde ihn weder für verrückt erklären lassen noch die Kollegen auf ihn hetzen noch ihn versetzen oder rausschmeißen. Ich werde einfach nichts von alldem tun!«
    » UND OB SIE DAS WERDEN! «
    »Nein.«
    Wehmeyer sah das wutverzerrte Gesicht Sommerfeldts und fand, dass er sehr komisch aussah. Wieso war ihm das vorher nur nie aufgefallen?
    Sommerfeldt zeigte mit dem Finger auf ihn und zischte: »Sie wissen nicht, was Sie da gerade tun, Wehmeyer!«
    Wehmeyer stand auf, richtete sein Sakko und nickte Sommerfeldt zum Abschied zu: »Doch. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit weiß ich ganz genau, was ich tue. Guten Tag.«
    Er wandte sich ab.
    Stolz.
    Mit einem Geräusch im Ohr, das sich wie eine einstürzende Karriere anhörte.
    Es klang leiser, als er gedacht hatte.

DIENSTSCHLUSS

59.
    Der Sommer zog rasch vorbei.
    Auf der Suche nach einem kleinen Glück pulsierten die Wünsche der Menschen wie riesige Starenschwärme am Himmel, verdunkelten oder erhellten ihre Gemüter, je nachdem welche Wendungen sie nahmen. Doch nicht nur ihre Wünsche durchkreuzten die Lüfte, die Anordnungen der Glücksverhinderer taten es auch. Sie stießen wie Habichte in die Schwärme, trieben sie mal hier-, mal dorthin, sodass es bald schon einen heftigen Wechsel von dicht und licht gab. Man spürte, wie sie versuchten, die aufkommende Euphorie zu zerstreuen, den Himmel zu klären vom gefährlichen Streben nach Glück.
    Doch je mehr Habichte entsandt wurden, desto mehr Stare wurden auch in den neuen Glücksbüros ins Rennen geschickt. Hatte es im Juli erst drei Glücksbüros gegeben, so
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