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Das Gluecksarmband

Das Gluecksarmband

Titel: Das Gluecksarmband
Autoren: Holly Greene
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auf. «Jedenfalls ist hier etwas drin.» Sie schob die Hand in das geheime Täschchen und ertastete einen Gegenstand, der sich unter ihren Fingerspitzen kühl anfühlte.
    Zum Vorschein kam eine silberne Kette. Oder nein, es war ein silbernes Armband – mit vielen klimpernden kleinen Schmuckstücken und hübschen Anhängern.
    Der Raum wirkte unheimlich still, als Molly das Bettelarmband in der offenen Hand hielt. Das Morgenlicht sickerte durch die Fenster und ließ die Anhänger schwach aufleuchten.
    «Du meine Güte!», rief Molly, «ein Glücksarmband.»
    «Ja, genau wie deins.»
    Molly inspizierte das Schmuckstück, betrachtete die einzelnen Anhänger. Ein Hufeisen, ein
Kinderwagen, ein Schlüssel mit herzförmigem Griff, ein Gebäude, ein Karussell … Ja, es sah wirklich genauso aus wie ihr eigenes Armband, hatte aber deutlich mehr Anhänger.
    «So viele», wisperte Molly wie zu sich selbst. Dann sah sie Carole an. «Offenbar ist es aus Versehen in der Jacke geblieben. Die Eigentümerin vermisst es sicherlich.»
    «Wir können es bestimmt zurückschicken. Wo ist der Lieferschein?» Carole nahm den Zettel zur Hand und studierte ihn. «Ich kann hier weder einen Namen noch einen Absender finden, nur die UPS -Filiale, wo es aufgegeben wurde. Aber die wissen das bestimmt.» Sie runzelte die Stirn. «Und hier steht, dass es eine Spende ist – die Absenderin verlangt keine Provision.»
    Das bedeutete, dass die Spenderin der Kleidungsstücke ihren Anteil am Verkaufserlös direkt karitativen Zwecken zukommen lassen wollte. So etwas war zwar nicht unüblich, geschah aber seit der Wirtschaftskrise immer seltener.
    Molly nickte abwesend, ohne den Blick von dem Armband zu wenden. «Aber warum sollte jemand überhaupt ein Armband in diese kleine Tasche stecken? Und warum hat die Eigentümerin es nicht vermisst und sich daran erinnert, dass sie es da versteckt hatte? Ich gehe jedenfalls fast nie ohne mein Glücksarmband aus dem Haus.»
    Während Molly die einzelnen Anhänger betrachtete, wurde ihr klar, dass dieses Armband einen hohen Wert und eine große Bedeutung besaß – sowohl für die Eigentümerin selbst als auch für alle Menschen, die ihr einen Anhänger geschenkt und ihr so geholfen hatten, wichtige Erinnerungen festzuhalten. Die Vielzahl der Anhänger zeigte Molly, dass die Eigentümerin ihr Leben bisher intensiv ausgekostet hatte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie begann, sich Geschichten zu den einzelnen Anhängern auszumalen.
    Unwillkürlich schaute sie auf ihr eigenes Armband, das hübsch ihr Handgelenk umschloss, und
ließ die Finger über die einzelnen Anhänger gleiten. Es war ihr Talisman, und jedes kleine Figürchen erinnerte sie an ein besonderes Ereignis in ihrem Leben. Sie besaß das Armband seit … ach, es mussten inzwischen achtzehn Jahre sein. Wo war nur die Zeit geblieben? Ja, inzwischen waren es viele Anhänger, aber begonnen hatte damals alles mit einem einzigen …
    Queens, New York, 1994
    Molly stand in ihrem Zimmer und schaute an dem spießigen schwarzen Kleid hinunter, das ihre Mutter ihr für die Beerdigung gekauft hatte.
    Als sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten, hob sie rasch den Saum und wischte sich das Gesicht ab. Sie war todtraurig und verzweifelt, und ihr war ganz egal, wie sie aussah. Außerdem war die Trauerfeier vorbei, sie waren schon seit Ewigkeiten vom Friedhof zurück, und gerade hatte sie es geschafft, dem endlosen Strom von Trauergästen zu entkommen, die im Haus ein- und ausgingen und ihr und ihrer Mutter ihr Beileid aussprachen.
    Ihr Vater … Nie wieder würde sie sein geliebtes Gesicht sehen. Es war wie ein Albtraum, und Molly wünschte, sie könnte daraus erwachen. Sie rollte sich auf ihrem Bett zusammen und blieb ganz lange einfach so liegen. Sie fühlte sich furchtbar allein. Warum hatte ausgerechnet ihr Dad sterben müssen? Warum hatte es nicht …? Es war ein schlimmer Gedanke, und Molly hatte sofort ein schlechtes Gewissen. In der letzten Zeit hatte sie sich zwar oft mit ihrer Mutter gezofft, aber natürlich wünschte sie sich nicht, dass Eileen tot wäre. Sie wünschte sich bloß, dass dieser furchtbare Tag, diese furchtbare Zeit, bald vorbei war.
    Sie wischte ihr tränennasses Gesicht am Kopfkissen ab und richtete den Blick auf das Fenster. Das Sonnenlicht strömte in ihr Zimmer, und sie beobachtete, wie an der Decke über ihrem Bett Lichtstrahlen tanzten. Molly war sauer, dass die Sonne sich gerade diesen Tag ausgesucht hatte,
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