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Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt.
Autoren: Paul Friedl
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des Bergfrühlings ins Haus.
    »Ist allerhand über uns und über das Dorf gekommen, seit wir aufgezogen sind«, sagte sie und sah nach dem Kruzifix im Tischwinkel, »aber alleweil ist auch wieder ein Glück dabeigewesen, und der Herrgott hat uns net im Stich gelassen. Und grad heut ist mir, als war draußen in der Sonne und der milden Luft die Seel von der Burgl und tät ein wenig zu uns in die Stube schauen.«
    »Und mir ist, als wär ich krank gewesen, und der Zorn — den hab ich gespürt wie ein Wehtun. Hab das Gesicht des Försters, mit dem Loch in der Stirn, Tag und Nacht nimmer losgebracht.«
    Der Kaspar schlich sich davon, und als er wieder kam, zog er verlegen die Mundharmonika aus der Tasche.
    »Ich glaub, daß es meine Burgl auch freut, wenn sie es hören kann. Jetzt horch, du kleiner Ambrosi, jetzt spiel ich dir auf.«
    Erstaunt und mit leuchtenden Augen hörte der Bub auf das melodische Singen und Summen der Harmonika, das die Stube füllte, aus den Fenstern drängte und mit dem Hauch des Bergwindes fortgetragen wurde.
    Ein glücklicher Sommer ging über das Land, und in Stinglreut war es, als wäre nach Jahren des Unfriedens und der Unsicherheit in den Häusern um den Zwiebelturm der Frieden eingekehrt.
    Die Wirtsresl und ihr Mann waren auseinandergegangen und aus dem Ort verschwunden. Sie hatte vor Gericht eingestanden, daß sie und der Weber Christian gewußt hatten, daß nur ihr Bruder der Mörder des Försters Greiner sein konnte. Sie gab auch an, daß sie dem Sepp unter der Drohung einer Anzeige das Wirtshaus abgepreßt hatten. Daß der Wirtssepp jahrelang gewildert und den Viehschmuggel organisiert hatte, gab der alte Waldhirte Schreindl zu. Er erlebte den Tag nicht mehr, da man den Josef Obermaier zu lebenslangem Zuchthaus verurteilte.
    Im Herbst zog auf dem Reibenwirtshaus ein neuer Besitzer auf. Es war an dem Tag, an dem wieder die Wehmutter auf die Gschwend gerufen wurde.
    Die Jahre zogen über die Gschwend mit Herbststürmen, die den Kirschbaum aus dem steinigen Boden rissen und zerschmetterten, mit harten Wintern, von denen einer so viel Schnee brachte, daß das Dach des Thumshäusls zusammenbrach, mit einem heißen Sommer, in dem der Brunnen kein Wasser mehr gab und das Berggras verdorrte. Es wurde immer wieder ein Frühling voller Hoffen und Freuden. Mit den Waldbäumen wuchsen die Menschen heran und alterten. Die Haare des Ambros und des Kaspar waren weiß geworden, und in ihre wetterharten Gesichter hatten die Jahre tiefe Runen gezeichnet. Die Lina ging etwas gebückt ihren Sorgen nach und sprach viel von den Kindern, die das Fernweh und die Suche nach Arbeit und Brot von der Gschwend vertrieben hatte.
    Zwei Buben und zwei Mädchen waren aufgewachsen, hatten auf der Bergwiese gespielt und über die Waldberge hinausgeträumt, bis die Zeit kam, da sie gehen mußten. Sie gingen mit Tränen in den Augen, drückten die harten Hände ihrer Eltern und des Onkels Kaspar, an dem sie hingen wie an ihrem Vater. Er hatte es nicht mehr übers Herz gebracht, sich nochmals ein Weib zu nehmen, und gehörte zur Familie.
    Der zweite Weltkrieg kam und mit ihm die Sorge um die Buben, die im Felde standen. Die Zeitenstürme berührten die kleine Waldinsel auf dem Grenzberg über Stinglreut kaum. Um den Gedenkstein, der an das alte tragische Geschehen auf der Gschwend erinnerte, hatte der Kaspar eine kleine Holzkapelle erbaut und im kleinen Turm ein Glöckchen aufgehängt. Die Buben kamen gesund aus dem Krieg zurück, und einmal im Jahr, an einem Sommertag, fanden sich die Kinder mit den Eltern auf der Gschwend zusammen. Dann rauchten der Ambros und der Kaspar still und zufrieden ihre Pfeifen und hörten, wie sich die Welt drunten verändert hatte.
    Die technischen Wunder der Zeit gelangten nicht bis auf diese Höhe, und die Gschwender wünschten sie auch nicht. In der Stube brannte nach wie vor die alte Petroleumlampe, und wenn es am Abend still wurde, dann spielte der Kaspar auf der neuen Mundharmonika, die ihm der Ambrosi gebracht hatte.
    Die Häuser mit den alten Schindeldächern waren grau geworden, und die Regenstürme hatten sie etwas schief gesetzt.
    Im Forsthaus auf der Guglwies hatten mehrmals die Förster gewechselt, und jeder schätzte die biederen Männer auf der Gschwend und die resolute Lina.
    Dann kam der Tag, da sie die Arbeit niederlegten und vom Forstamt die Nachricht erhielten, daß die Gschwend aufgelassen werde, weil sich kein junger Holzhauer fand, der in diese Einsamkeit am Ende der
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