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Das Glück mit dir (German Edition)

Das Glück mit dir (German Edition)

Titel: Das Glück mit dir (German Edition)
Autoren: Lily Tuck
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ist flach. Zu kühl.
    Sie trägt eine Schicht Weiß auf und schmirgelt es wieder ab, eine Schicht Gelb und schmirgelt es wieder ab, noch eine Schicht Weiß mit einer Spur Himmelblau, auch das schmirgelt sie wieder ab. Sie muss eine Oberfläche aufbauen. Sie muss Dichte erzeugen.
    Irgendwann, verspricht sie sich selbst, wird sie das Bild schon hinkriegen.
    Sie wird seine Asche ins Meer streuen müssen.
    Louise wird mitkommen.
    Sie wird daran denken, sich leewärts zu stellen, damit ihr die Asche nicht ins Gesicht weht.
    Im Musée du Jeu de Paume fragt Nina Philip eines Nachmittags: Wer ist dein Lieblingskünstler?
    Von allen auf der Welt?
    Ja, von allen auf der Welt.
    Du.
    Nein, ernsthaft.
    Cézanne. Ja, Cézanne.
    Sie stehen vor seinem Selbstporträt.
    Cézanne ist jedermanns Lieblingskünstler, sagt Nina ein wenig gereizt.
    Sieh nur, wie selbstbewusst er aus dem Bild schaut. Sein Blick ist hypnotisch, sagt Philip, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, und deutet auf das Porträt. Ich fühle mich versucht, mir auch so einen Bart wachsen zu lassen, sagt er außerdem.
    Tu’s nicht, sagt Nina.
    Lachend gehen sie weiter.
    Draußen hat es zu regnen begonnen; sie haben keinen Schirm dabei. Während sie über die Place de la Concorde und den Pont de la Concorde eilen und den Boulevard Saint-Germain entlang zum nächsten Café laufen, zucken grelle Blitze, gefolgt von Donnerschlägen. Sie sind beide vollkommen durchnässt.
    In der Bar bestellt Philip für beide Armagnac.
    Der teure Weinbrand brennt in ihren Kehlen und sie müssen husten.
    Ich glaube, ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, sagt Philip zu ihr.
    Immer noch hustend schüttelt sie den Kopf, als sie dann aufhört, lacht sie, als sie sich selbst im Spiegel der Bar sieht – ihr nasses Haar klebt am Schädel, schwarze Maskarastreifen überziehen ihre Wangen.
    Nach einer Weile sagt Philip: Spielst du Tennis?
    Warum?, fragt Nina. Ist das eine Bedingung, wenn du dich verliebst?
    Ja, antwortet Philip.
    Ich spiele Tennis. Ziemlich gut sogar, sagt sie.
    Trotz seines Hinkens – das auf dem Tennisplatz kaum zu bemerken ist – spielt Philip gut. Er ist groß und hateine entsprechende Reichweite; am Netz gehen nur wenige Bälle an ihm vorbei. Einmal in der Woche, um acht Uhr dreißig am Dienstagmorgen, hat er eine Dauerverabredung zum Doppel. Er spielt auf einem Hallensandplatz, und keiner seiner drei Tennispartner ist Mathematiker. Nichts kann Philip von seinem wöchentlichen Tennismatch abhalten.
    Er hat vor zwei Tagen gespielt, erinnert sich Nina.
    Wir haben wieder gewonnen, erzählt er, als er nach Hause kommt. Wir sind unbesiegbar, sagt er und lacht.
    Ich habe auch ein paar Asse serviert, brüstet er sich außerdem.
    Philip gibt beim Aufschlag dem Ball einen Drall, der ihn hoch und außer Reichweite des Gegners springen lässt.
    »Wenn es beim Tennis ›Einstand‹ steht, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Aufschläger die nächsten beiden Punkte macht?«, ist eine der Fragen, die er seinen Studenten im Kurs stellt. Niemand antwortet. »Sie spielen doch alle Tennis, oder?«, fragt Philip. »Sie wissen, wie beim Tennis gezählt wird – wenn beide Spieler die gleiche Punktzahl erreicht haben, im Tennis ›Einstand‹ genannt, dann muss ein Spieler das Spiel durch zwei aufeinanderfolgende Punkte für sich entscheiden. Da die Zahl der Einstände in einem Spiel nicht begrenzt ist«, fährt er fort, »mag das Problem unendlich erscheinen, ist es aber nicht.«
    Fehler, ruft Nina.
    Sie streiten immer auf dem Tennisplatz.
    Aus, aus, der Ball war aus, schreit sie ihn an.
    Nie im Leben!, schreit Philip zurück, geht zum Netz und späht zu der Stelle, an der sein Aufschlag gelandet ist. Der war drin. Du bist wohl blind.
    Nina deutet mit dem Schläger auf einen Abdruck außerhalb der Linie. Hier ist der Ball aufgekommen. Schau.
    Ich sehe nichts. Du lügst.
    Betrüger, kreischt sie.
    »Glauben Sie mir.« Philip dreht sich lächelnd zu seinen Kursteilnehmern um. »Beim Tennis ist der Aufschläger immer im Vorteil. Besonders ein starker Aufschläger.« Philip tritt von der Tafel zurück, streckt den Arm aus, als hielte er einen imaginären Schläger, und tut, als würde er einen Ball in die Luft werfen und dann schlagen.
    Als sie aus dem Café treten, ist der Himmel wieder blau und klar, nur an dem nassen, glänzenden Asphalt und den Wasserbächen, die ordentlich in Richtung Rinnstein laufen, sieht man, dass es geregnet hat. Ninas Haare sind getrocknet, ihr Gesicht
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