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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1
Autoren: Émile Zola
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doch wieder zu seiner Ausgangsaufgabe, nach den Gesetzen des menschlichen Daseins im menschlichen Körper selbst zu forschen, zurückgekehrt, nur daß ihm diese Gesetze im letzten in eins, das des unlöslichen Zusammenhangs allen kreatürlichen Seins, ihrem Wesen nach zusammenzufließen schienen.
    Trotz dieser sich allmählich über die ursprüngliche engere Sicht, eine Vererbungsdokumentation zu schaffen, hinaus entwickelnden Auffassungen führte Zola mit peinlicher Genauigkeit auch noch die zweite und anfänglich erste Aufgabe, seine Familiengeschichte, wie ein gewissenhafter Forscher zu Ende. Allerdings zeigt dieses getrennte Zuendeführen der ursprünglich gekoppelten Aufgaben, der historischen und physiologischen, wie sehr ihm selbst die beiden Themen im Laufe der Arbeit auseinandergekommen, ja zum Teil sogar in Widerspruch geraten waren. Andererseits ist aber das Bemühen, das Pensum zu erfüllen, auch ein Beweis dafür, wie ernst es ihm mit seiner anfänglichen Aufgabenstellung gewesen war, daß sie ihm mehr bedeutete als nur eine polemische Überbetonung seines Andersseins in der Abwehr gegen den verehrten und leider so übermächtigen großen Meister Balzac.
    Beide Seiten jedoch, die physiologische und die historische, in vollendeter Verbindung in einem Roman zu gestalten war Zola nur einmal gelungen, im »Glück der Familie Rougon«. Hier schildert er die Anfänge der Familie ebenso wie die Anfänge der Epoche, den Staatsstreich LouisNapoléons, in dem die wichtigsten Vertreter der »RougonMacquart« für einen Augenblick zu Hauptakteuren auf der politischen Bühne ihres kleinen Provinzstädtchens werden.
    Zola hatte die im »Glück der Familie Rougon« dargestellten politischen Ereignisse einer historischen Studie über den Staatsstreich, dem Buch von E. Ténot: »Die Provinz im Dezember 1851«, entnommen. In seinem Plassans spielt sich ungefähr das gleiche ab, was in Lorgues, einem kleinen Städtchen des Var mit ungefähr 6000 Einwohnern, geschehen war. Und zugleich ist dieses PlassansLorgues seine Heimatstadt AixenProvence mit ihren Menschen, Gewohnheiten, Sitten, Zuständen, Verhältnissen, wie er sie in seiner Jugend kennengelernt hatte. Dadurch entsteht ein eigentümliches geographisches Durcheinander. Denn während in Einzelheiten der Stadtbeschreibung Aix unschwer zu erkennen ist – so im Cours Sauvaire der Cours Mirabeau, im Turm SaintSaturnin der Turm von SaintSauveur –, wird die Umgebung von Plassans entsprechend der realen geographischen Lage von Lorgues geschildert und ist in den späteren in Plassans spielenden Romanen wiederum durch die Umgebung von Aix ersetzt. Ob dieses etwas komplizierten Durcheinanders hatte Zola zu seiner eigenen Orientierung eine kleine Skizze angefertigt, wo er hinter die Ortsbezeichnungen des Romans die realen Namen in Klammern einfügte.
    Die eigentliche Handlung des Romans bewegt sich in der knappen Spanne von kaum acht Tagen, beginnt am Sonntag, dem 7. Dezember 1851, und endet eine Woche darauf am 14. des gleichen Monats, spielt also unmittelbar im Anschluß an den Staatsstreich vom 2. Dezember. Dieser war, wie es Zola einleuchtend darstellte, weder unerwartet noch unvorbereitet gekommen.
    Er schwebte gleichsam schon seit zweieinhalb Jahren, seit der blutigen Niederschlagung des Juniaufstandes, über dem Lande. Der Verbrüderungsrausch der Februartage 1848 hatte nicht lange vorgehalten. Die politischen Kämpfe und Intrigen, die sich kurz danach um die Durchsetzung und Wahrung der Arbeiterrechte, um die Wahlen zur neuen Konstituierenden Versammlung entspannen, zeigten die tiefen Gegensätze, die die vereinigten Aufständischen entzweiten. Als der erste revolutionäre Schwung nicht alle Schwierigkeiten auf einmal hatte beseitigen können, die Unruhen andauerten und das politische und wirtschaftliche Leben sich so gar nicht stabilisierte, da überkam all die kleinen Kaufleute, Rentiers und Bauern sehr schnell das Bedürfnis nach wenigstens äußerlich gesicherten Verhältnissen, und die eigentlichen politischen Hauptakteure, die Finanzgewaltigen und Großindustriellen, förderten diese Entwicklung, die ihren eigenen Interessen völlig entgegenkam. So schien der Augenblick nahe, da die reife Frucht dem in den Schoß fallen mußte, der kühn oder frech genug wäre, die Hand nach ihr auszustrecken. Im Neffen Napoleons I. fand sich der geeignete Mann. Von gedrungener Gestalt, schweigsam, mit schläfrigem Ausdruck, von Lüsten verzehrt, ohne Skrupel, hemmungslos und
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