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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1
Autoren: Émile Zola
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in denen sich die ganze Zeit unaufhaltsam verzehre. Je mehr sich Zola aber in das Studium der sozialen Bewegung versenkte, je nachhaltiger er die Widersprüche seiner Zeit zu durchdringen suchte, je aufmerksamer er die verschiedenen Entwürfe einer neuen sozialen Ordnung zur Kenntnis nahm, desto tiefer wurde in ihm die Zuversicht in die siegende Kraft des Lebens. Je schwärzer sich das Bild der Vergangenheit, der alten, für ihn im Versinken begriffenen Welt malte, um so heller erstrahlte die Vision der Zukunft, des neuen Reiches der Gerechtigkeit und Wahrheit. Je dunkler und unheilvoller in den Baßstimmen die Leitmotive des Zusammenbruchs und Verfalls grollten, um so heller jubilierten in den Geigen die Klänge des Lebens, der Zuversicht, des Optimismus. Im »Paradies der Damen« finden wir zum erstenmal einen ausdrücklichen Ruf nach einem optimistischen Schluß für die in diesem Roman dargestellten Lebens Schicksale von Octave Mouret, und von da an hält den Symbolen des Unterganges – Fäulnis, Zusammensturz, Brand – das Keimsymbol, das Symbol von Saat und Ernte, die Waage, Sicher läßt Zola in dem Maße, wie sich der Zyklus seinem Ende zuneigt, immer häufiger und nachdrücklicher die Bilder vom Untergang auftreten, die sich nach seiner beliebten Technik bis zu wahren Visionen des Weltendes ausweiten, sicher hat er durch den immer wieder aufgenommenen Ruf »Nach Berlin! Nach Berlin! Nach Berlin!« und den Hinweis auf den Ausbruch des Krieges am Ende von »Nana«, »Erde« und »Geld« und den dadurch gleichsam erfolgten Zusammenschluß dieser Romane und ihre Überführung in den »Zusammenbruch« diesem selbst noch größeres Gewicht verliehen – aber durch das Furioso der Hölle klingt doch immer wieder, erst leise und zögernd, dann immer lauter anschwellend und schließlich sieghaft strahlend der hymnische Sang vom Leben. Selbst über dem Paris der Commune, das in Grauen und Flammen versinkt, dämmert ein heller Morgen, in den Jean, der Mann aus dem Volk mit dem reinen Herzen, hinauszieht, um den Aufbau eines neuen, besseren, friedlichen Frankreichs zu beginnen, so wie im »Germinal« am Ende des apokalyptischen Gemäldes vom Elend und Leiden der Bergarbeiter vor den sehenden Augen Etiennes das Bild von der siegreich emporkeimenden Saat der kommenden Rächer aufgestiegen war. Und dieses Bild von der Saat des Lebens, die der Ernte entgegenreift, greift über den »RougonMacquart«Zyklus hinaus, verbindet ihn mit dem Roman »Paris« aus der StädteTrilogie und mit dem Roman von dem Evangelium der »Arbeit« und faßt diese Romane damit ebenso zu einer höheren inneren Einheit zusammen, wie es innerhalb der »RougonMacquart« für einige Bände durch die Untergangssymbole geschieht.
    Nur daß das Keim, Saat und Erntemotiv nicht allein am Abschluß dieser Reihe steht, sondern überhaupt am Ende seines literarischen Vermächtnisses und damit von daher die Frage entscheidet, welches Zolas letztes Wort nach seiner eigenen Absicht auch in den »RougonMacquart« sein sollte: ob Aufstieg oder Untergang, Tod oder Leben. Neben dem Tod steht triumphierend auch bei Zola die Verklärung. Deshalb mußte und konnte er über den eigentlichen historischen Rahmen hinausgehen und dem schaurigen Gemälde des Untergangs als Abschluß, Zusammenfassung und Weiterführung (nicht nur als Wiederaufnahme und Beendigung der Familiengeschichte!) die mit alttestamentarischer Würde umhüllte Lebensgeschichte von dem heilkundigen dritten Sohn der Familie, Pascal, und seiner brennenden Liebe zu der jungen Clotilde entgegensetzen, einer Liebe, die den letzten Wanderer der RougonMacquart, die so lange durch die Kreise des Inferno geirrt waren, zwar noch nicht ins Paradiso aufsteigen, aber doch so weit auf dem Läuterungsberg emporgelangen läßt, daß sich ihm ein Ausblick auf das verheißene Land der Gerechtigkeit und Freiheit eröffnet, zu dem das Kind am Ende des Romans in seinen erhobenen Händen den Schlüssel zu halten scheint.
    Aber dieses Paradiso ist keine höchste Sphäre entkörperter Geistigkeit. Zolas drei Reiche sind von dieser Welt Hier kämpft und leidet der Mensch, hier büßt er und wird belohnt. Sein Aufstieg zur Glückseligkeit ist eigentlich ein Hinabtauchen in die Urgründe der Schöpfung, zu den Quellen des Lebens, zu Zeugung und Geburt, zum Einswerden mit der ganzen Kreatur im nimmer endenden Fest des Lebens. Mit dieser letzten philosophischen Sinngebung war Zola, wenn auch in ganz anderem, höherem Sinne, dann
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