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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz
Autoren: Virginia Doyle
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auf Pistoux. Er war noch etwas benommen. Er tastete seine Schläfe ab und spürte klebriges Blut.
    »Los! Hinterher!«, kommandierte er. Dann brach er ein zweites Mal zusammen.
    Die Kinder waren schon unten am Ufer der Pegnitz.
    Im diffusen Schein des spärlichen Lichts, das hier und da aus den kleinen Fenstern der Fachwerkhäuser drang, sahen sie, wie sich ein großer Schatten ganz langsam über die Pegnitz bewegte.
    »Er ist auf dem Fluss!«, rief das Mädchen.
    Keiner hielt die anderen zurück. »Vorsicht! Er wird einbrechen!«
    »Aber wir nicht«, sagte Schwarz. »Wir sind leichter. Ich habe es schon ausprobiert. Das Eis trägt mich.«
    »Er schafft es bis zum anderen Ufer«, sagte Niemand.
    »Da sind nur Mauern«, sagte Keiner.
    »Nein, dort ist eine Treppe.« Das Mädchen deutete in die Dunkelheit. »Ich kenne die Treppe. Sie ist da.«
    »Wenn er bis dorthin kommt, ist er weg«, erkannte Keiner. »Also los! Hinterher!«
    Pistoux hatte dem Inspektor wieder auf die Beine geholfen.
    »Wir müssen alle Kräfte mobilisieren«, ächzte Wanner. »Die Stadt abriegeln.«
    »Zu spät«, sagte Pistoux. »Er ist schon auf dem Fluss.«
    Die beiden Männer stiegen die Treppe zur Pegnitz hinab. Sie waren noch nicht unten angelangt, da hörten sie ein Knacken und Splittern, wie wenn Eis zerbirst. Etwas weiter entfernt sahen sie einen Schatten auf dem Fluss. In der Nähe und über das Eis verteilt, entdeckten sie die Kinder. Sie hackten mit den Füßen auf dem Eis herum und brachten ihm auf diese Weise Risse bei, die sich fortsetzten und die gesamte Eisfläche immer brüchiger werden ließen. Der Flüchtende hatte das jetzt bemerkt und tastete sich sehr langsam über die Eisfläche weiter zum anderen Ufer hin. Die Kinder hackten weiter mit ihren Absätzen auf das Eis ein.
    »Verdammt! Er schafft es!«, sagte der Inspektor.
    Da hörten sie ein lautes Knacken und Krachen, und der flüchtende Schatten versank im Fluss.
    »Hurra!«, riefen die Kinder »Er ist eingebrochen.«
    Die Kinder eilten ans Ufer.
    »Er hängt da noch! Er klammert sich fest!« Wanner deutete auf den Fluss.
    Tatsächlich war dort noch Schallers Kopf zu erkennen und seine Hände, die sich verzweifelt bemühten, Halt zu finden.
    »Lange wird er sich dort nicht halten können«, sagte Pistoux.
    »Nein. Aber wir können nicht auf das Eis hinaus. Wir brechen ebenfalls ein.«
    »Die Kinder.«
    Sie waren jetzt alle ans Ufer zurückgekehrt und blickten gebannt auf den Schatten, der ums Überleben kämpfte. Ab und zu drang ein gepresster Hilfeschrei zu ihnen ans Ufer.
    Keiner weigerte sich: »Nein, wir werden ihn nicht retten!«
    »Dann seid ihr nicht besser als er«, sagte Pistoux. »Dann habt ihr genau das gleiche Schicksal verdient.«
    »Auge um Auge«, sagte Keiner trotzig.
    »Wenn ihr Diebe seid, weil ihr Hunger leidet, dann ist das eine Sache. Aber wenn ihr einen Mann zu Tode kommen lasst, nur weil ihr Rache üben wollt, dann seid ihr nicht besser als der schlimmste aller Verbrecher. Dann wird euch niemand helfen, und ihr werdet bald genau das gleiche Schicksal erleiden. Denn auch das heißt Auge um Auge, dass jede Schuld angerechnet wird … bis niemand mehr übrig ist.«
    Keiner blickte Pistoux nachdenklich an, dann den Inspektor, der neben ihm stand.
    »Wir holen ihn raus, wenn er verspricht, uns zu helfen. Wir wollen nicht wieder weglaufen müssen.«
    »Ich helfe euch«, sagte Wanner. »Versprochen.«
    »Gut.«
    Die Kinder bewegten sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem Eis. Nahe der Stelle, wo Schaller eingebrochen war, legten sie sich flach auf die Eisfläche. Das Mädchen war am leichtesten. Sie kroch bis zur Bruchstelle und reichte Schaller die Hand. Niemand hielt sie an den Füßen fest, der wiederum von Schwarz gehalten wurde und der von Keiner. Indem sie sich langsam zurückbewegten, gelang es ihnen, den Eingebrochenen allmählich aus dem Eisloch herauszuziehen. Als er auf festerem Eis angelangt war, kroch er allein ans Ufer, wo Inspektor Wanner ihn in Empfang nahm und ihm Handfesseln anlegte.
    Pistoux bedankte sich bei den Kindern.
    »Ihr müsst euer Versprechen halten«, sagte Keiner.
    »Das werden wir tun«, sagte Wanner.
    »Wisst ihr denn schon, wo ihr Weihnachten feiern wollt?«, fragte Pistoux und zwinkerte dem Inspektor zu.

23 EINE SCHÖNE BESCHERUNG
    Erwartungsvolle Kinderaugen blickten Gregor Wanner an, als er sagte: »Ich habe euch noch etwas mitgebracht.«
    Er kramte in seiner Manteltasche. Dann hielt er etwas in die Höhe.
    »Eine
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