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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz
Autoren: Virginia Doyle
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frei.
    »Sei doch so gut und zieh diese schreckliche Mütze ab, bevor du dich zu uns setzt, Jacques«, sagte Frau Dunkel.
    »Sonst fällt sie in die Suppe!«, rief Niemand.
    Die Kinder kicherten.
    Pistoux setzte die Mütze ab, legte sie auf die Kommode und nahm Platz.
    Die Kinder griffen gierig nach ihren Löffeln.
    »Zuerst wollen wir beten!«, sagte Friedrich Dunkel.
    Alle senkten den Kopf und falteten die Hände.
    »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast, amen!«
    Obwohl er eigentlich der Meinung gewesen war, dass er keinen Appetit hatte, stellte Wanner mit Wohlbehagen fest, wie gut die Suppe ihm schmeckte.
    »Ach Rote-Bete-Suppe! Wie habe ich mir das gewünscht«, seufzte Frau Dunkel.
    »Es ist eine Essenz, Madame.«
    »Ausgezeichnet, Jacques«, sagte ihr Mann.
    Die Kinder schlangen die Suppe begeistert in sich hinein.
    Inspektor Wanner war als Erster fertig. Nun saß er ungeduldig da und wartete. Als endlich alle Teller leer waren, sah er seine Chance gekommen.
    »Wieso eigentlich zwei Bissstellen?«, sagte er lauter als beabsichtigt.
    Pistoux sah ihn verwirrt an. »Was meinen Sie?«
    »Der vergiftete Lebkuchen …«, sagte Wanner.
    Bäcker Dunkel verzog das Gesicht. Es passte ihm gar nicht, dass wieder davon die Rede sein sollte.
    »… der vergiftete Lebkuchen hatte zwei Bissstellen. Eine von dem Jungen, eine von Ehrenhoff. Wie konnten sie vom gleichen Herz essen? Was hat sie zusammengebracht? Und wie kommt es dann, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten umgekommen sind?«
    Pistoux zuckte mit den Schultern: »Ich muss ehrlich zugeben, dass mir einiges an ihrem Fall ebenfalls ziemlich rätselhaft vorkommt.«
    »Fragen Sie doch uns«, sagte Keiner stolz. »Wir wissen alles.«
    »Ja«, sagte Wanner. »Ich frage euch: Was ist eigentlich passiert?«
    »Es ist ganz einfach«, sagte Schwarz.
    »Ich finde nicht, dass es einfach ist«, sagte Niemand.
    »Wovon sprecht ihr überhaupt?«, fragte das Mädchen.
    »Ruhe! Ich werde die Geschichte erzählen!«, rief Keiner.
    Alle Auge richteten sich auf den Ältesten.
    »Wie Sie wissen«, sagte Keiner und blickte dabei abwechselnd Herrn und Frau Dunkel an, »haben wir ab und zu bei Ihnen etwas gestohlen, weil wir Hunger hatten.«
    Das Bäckerehepaar nickte, denn sie hatten den Kindern verziehen.
    »Einmal, das war ein ganz besonderer Tag für uns, haben wir eine Kiste mit Lebkuchen erbeutet. Die waren natürlich ganz besonders schnell aufgegessen, weil sie so gut geschmeckt haben. Wir hätten gern noch mehr gegessen, aber wir wollten nicht schon wieder in Ihre Bäckerei einbrechen, das wäre zu riskant gewesen und außerdem … nicht gerecht … es gibt ja viele Bäckereien, und jede kann ab und zu ein wenig entbehren. Aber Staub hat sich nicht daran gehalten. Er war so gierig nach den Lebkuchen, dass er nochmal gekommen ist.«
    »Aber wie kann er denn vergiftete Lebkuchen bei uns gefunden haben, Kreuzdonnerwetter!«, rief Bäcker Dunkel.
    »Still doch, Friedrich!«, sagte seine Frau.
    »Als Staub hier war, hat er einen Mann dabei beobachtet, wie er Kisten mit Lebkuchen austauschte. Eine davon wollte er mitnehmen, als der Mann wieder gegangen war. Aber er wurde von Frau Dunkel überrascht und musste weglaufen. Nur ein einziges Lebkuchenherz hat er mitnehmen können. Damit kam er in unser Versteck im Burggraben. Er erzählte uns, wo er es herhatte, und von dem Mann in der Bäckerei. Er kannte ihn sogar. Es war der Gewürzhändler Wetzel. Dann biss er von dem Herzen ab und wollte uns allen etwas davon geben … aber plötzlich verdrehte er die Augen und fiel um.«
    Das Mädchen begann zu schluchzen. Der Junge, der sich Niemand nannte, legte den Arm um sie, um sie zu trösten.
    »Und dann?«, fragte Wanner ungeduldig.
    »Dann wollten wir ihn zu einem Arzt bringen. Aber auf dem Weg ist er gestorben. Als wir noch mitten im Stadtgraben waren. Zwei Stadtwächter tauchten plötzlich auf, und wir mussten weglaufen …«
    »Aber dann haben der Ratsherr und der arme Junge doch gar nicht vom gleichen Lebkuchen essen können«, warf Frau Dunkel ein.
    »Es sei denn, jemand hat den gleichen Lebkuchen an Ehrenhoff weitergegeben …«, mutmaßte ihr Mann.
    »Die Kinder …?«
    »Nein, die Kinder waren es nicht!«, sagte Wanner. »Es war ein Unfall. Jedenfalls behauptet das dieser unselige Gewürzhändler.«
    »Ein Unfall?«, fragte Dunkel.
    »Schaller gibt zu, dass er am Tod von Ehrenhoff mitschuldig ist. Aber das erklärt nicht die zweite Bissstelle im
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