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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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gebechert haben musste.
    »Ja«, kam die schroffe Antwort. Truepin goss ihm ein.
    »Also«, sagte der Mann nach einem langen, lautstarken Zug. »Ihr wollt ein’ neuen Namen?«
    »Richtig.«
    »Und ein’ Titel?«
    »Allerdings.«
    »Dass wird Euch was kosten, nich wenig wird’s kosten«, lallte der Mann.
    Truepin nickte. »Ich hab das Geld.« Jedenfalls bald, dachte er.
    »Also ab’emacht. Kommt um Mitternacht noch mal, dann is all’s fertig.« Damit kippte der Kerl die zweite Hälfte seines Bieres in sich hinein und tauchte in der Menge unter.
    Truepin lehnte sich zurück und gestattete sich ein kleines Lächeln. Es geht also los, dachte er. Nun der nächste Schritt. Zuerst andere Kleider und dann auf zur Wohnung von Mr Augustus Fitzbaudly.

Kapitel 3

    Auf der Nordseite
    H
ector saß reglos im Schmetterlingshaus. Ihm war warm, fast unangenehm warm, obwohl er nur ein Nachthemd anhatte. Nach seiner strumpfsockigen Flucht waren seine Füße voller Schrammen und wunder Stellen und seine Nerven hatten sich immer noch nicht beruhigt. Schmetterlinge der verschiedensten Größen und Farbschattierungen flatterten um ihn herum und ließen sich auf den unzähligen Pflanzen und blühenden Blumen nieder, die an den Glaswänden ihrer Behausung wuchsen.
    So viel Schönheit, dachte Hector – und nur wenige Stunden zuvor war er von all der Hässlichkeit umgeben gewesen und hatte auch daran Gefallen gefunden …
    Der Heimweg aus der Südstadt war ihm endlos erschienen. Obwohl er mit gesenktem Kopf und möglichst, ohne jemanden anzusehen, durch die Straßen gestürmt war, hatte er noch genügend ungebetene Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber nicht etwa, weil ein Teil seiner Kleider fehlte, sondern weil die, die er noch besaß, so sauber waren. Schlecht gekleidete Jungen liefen hier viele herum, aber keiner mit so weißen Strümpfen. Doch lange hatte es nicht gedauert, und Hector war wegen all der Dunghaufen und Gemüseabfälle, die auf Straßen und Gehwegen herumlagen, kaum mehr von den zahllosen Straßenkindern in der Menge zu unterscheiden. Wie jeder andere hatte er die Erfahrung gemacht, dass es hier oft besser war, nicht aufzufallen.
    Er kam an lärmerfüllten Kneipen vorbei, an unbeleuchteten Läden und Fenstern von Pfandleihhäusern. Er spähte in schmale Seitenwege und sah reglos kauernde Gestalten – ob tot oder lebendig, konnte er nicht erkennen –, er sah düstere Schatten neben den Ginleitungen hocken und das scharfe Getränk hinunterstürzen, das ihre Kehle wärmte und ihre Sorgen verdrängte, bevor es sie unausweichlich in den Ruin führen würde. Er wich Kutschen aus, sah Milchmädchen, schamlose Bettler, Messerschleifer und Wanderschauspieler.
    Endlich, als Hector den Fluss erreicht hatte, ließ er zum ersten Mal den Gedanken zu, dass er möglicherweise doch sicher nach Hause gelangen könnte. Er beugte sich über das niedrige Geländer, um das dunkle Wasser des verrufenen Foedus besser zu sehen. Der Gestank des Flusses an diesem Tag würde ihn sein Leben lang begleiten. Noch nach Jahren würde ihn der Geruch eines einzigen Atoms seiner chemischen Zusammensetzung augenblicklich nach Urbs Umida zurücktragen und bittersüße Erinnerungen an die Südstadt in ihm wachrufen. Für manche Städte war der Fluss der Lebensnerv; für Urbs Umida war er eher der Styx, der Fluss der Unterwelt, und schon beschwor Hectors sprühende Fantasie für einen Moment Charon, den mythologischen Fährmann der Toten, herauf, der seinen schwerfälligen Stechkahn über den Fluss stakte. Als er noch einmal hinsah, erkannte er, dass es sich nur um einen armseligen Flößer handelte.
    Auf der Hälfte der Brücke, als er unter dem Schild des Wirtshauses Zum Flinken Finger vorbeikam – ein Lokal von so schlechtem Ruf, dass es in der Nord- wie in der Südstadt gleichermaßen bekannt war –, wusste Hector das Ziel in Reichweite, und das spornte ihn an. In seiner Eile stolperte er über einen lockeren Pflasterstein und stieß mit einem schmutzigen Kerl zusammen, der gerade über die Straße kam.
    »Willst mir wohl die Taschen ausräumen, wie?«, knurrte der Mann, packte Hector am Arm, drückte sein Kinn nach oben und zwang ihn so, ihm ins Gesicht zu sehen. Es war kein schöner Anblick. Der Mann trug eine schmierige schwarze Augenklappe und einen grauen Bart, und bevor er Hector losließ, schüttelte er ihn heftig. Hector stolperte davon, so schnell ihn seine müden Beine tragen konnten, und rannte, bis er die breiten hellen Straßen der
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