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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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und gelblich geworden, ließ Spuren von Alter und schlechter Qualität erkennen. Er trug es nur, damit seine Augenhöhle nicht vollends einfiel, fand es aber abstoßend genug, um es stets bedeckt zu halten.
    »Nicht mehr lange«, murmelte Truepin. Der Tag rückte näher, an dem es ihm freistehen würde, die Augenklappe zu tragen oder wegzulassen. Prüfend fuhr er mit den Fingern über seinen Haaransatz und durch sein strähniges Haar. Er war nicht ganz sicher, ob es schon wieder so dicht war wie früher. »Ts, ts, ts«, machte er und mahnte sich selbst, dass dieses vergleichsweise geringe Problem ein notwendiges Opfer für seinen finanziellen Gewinn gewesen war.
    Es war nämlich so, dass Truepins schüttere Haarpracht nicht etwa auf sein Alter, sondern auf das Mittelchen eines Hausierers zurückzuführen war. Truepin hatte es in der Hoffnung gekauft, es könnte seine ständigen Magenprobleme kurieren, wie das Etikett und der Hausierer selber so überzeugend behauptet hatten. Und überraschenderweise hatte die säuerliche braune Flüssigkeit sein Leiden tatsächlich geheilt, nur war die Nebenwirkung ein schnell voranschreitender Haarausfall gewesen. In heller Wut hatte Truepin daraufhin alles unternommen, um den Händler ausfindig zu machen, und nach drei Tagen und Nächten sah er ihn auf einem Markt. Dort hatte er sich an ihn herangeschlichen, ihn am Kragen gepackt und nachdrücklich aufgefordert, schleunigst Abhilfe zu schaffen.
    »Nimm das Mittel nicht mehr, dann werden deine Haare wieder wachsen«, krächzte der Hausierer.
    »Ist das alles?«, fragte Truepin.
    »Ja«, keuchte der Hausierer. »Du wirst sehen, sie werden in null Komma nichts nachwachsen.« Dann verlor er das Bewusstsein.
    Truepin sah hier sofort eine wunderbar verschlungene Gelegenheit zu seinem persönlichen Vorteil, und wie zu erwarten, ergriff er sie. Als der Händler allmählich wieder zu sich kam (zwei harte Schläge ins Gesicht erwiesen sich als hilfreich), ging er mit ihm ins nächste Bierzelt, füllte ihn mit Alkohol ab und entlockte ihm das Rezept für das Magenmittel. Es war, wie er vermutet hatte: hauptsächlich Wasser mit Farbstoff und einer weiteren Zutat, die, wie er schloss, einerseits den Magen kurierte und andererseits die Haare ausgehen ließ. Von diesem Mittel stellte Truepin nun mehrere Liter her, füllte es in Flaschen ab und machte sich ins nächste kleine Dorf auf. Im bleichen Mondlicht goss er große Mengen des Magenmittels in den Dorfbrunnen, dann zog er sich in den nahen Wald zurück und wartete ab. Innerhalb weniger Tage stellten alle, die von dem Brunnenwasser getrunken hatten, einen auffälligen Haarausfall fest, litten dafür aber nicht mehr an Verdauungsstörungen. Jedes Unglück hat eben auch sein Gutes! Im Dorf herrschte große Aufregung, weil niemand wusste, wie man zu diesem Missgeschick gekommen war und wie es zu kurieren wäre.
    Das war der Zeitpunkt für Truepins großen Auftritt. Er gab sich als reisender Apotheker aus und verkaufte den Leuten sein Heilmittel gegen Kahlheit (im Wesentlichen aromatisiertes Wasser), verbunden mit der strikten Anordnung, zehn Tage lang ausschließlich Milch und diese Arznei zu trinken. Nachdem über eine Woche lang niemand mehr aus dem Brunnen getrunken hatte, wuchsen bei den Dorfbewohnern die Haare natürlich bald nach, und Truepin wurde als Wundertäter bejubelt. Man quartierte ihn im besten Gasthaus ein, man bot ihm das beste Essen, das sich die Dorfbewohner leisten konnten (Truepin fand es nicht besonders), und man bat ihn in sämtlichen Angelegenheiten um seinen weisen Rat – angefangen bei der Frage, wie Maulwürfe am besten zu fangen seien, bis hin zu Heilmethoden mit Speck. Selbstverständlich ließ er sich seine Auskünfte reichlich bezahlen.
    Wer Menschen hereinlegt, muss den richtigen Zeitpunkt für den Abgang spüren, das war der ganze Trick. An diesen Grundsatz hielt sich Truepin. Nach etwa einer weiteren Woche, als seine Geldbörse prall gefüllt war, verabschiedete er sich von den dankbaren Dorfbewohnern und zog weiter. Er suchte sich einen neuen Kreis von Opfern, begann sein betrügerisches Spiel von vorn und arbeitete sich auf diese Weise langsam nach Urbs Umida zurück.
    Da er nun schon viele Jahre seinen Lebensunterhalt mit Lügen und Betrügereien verdiente, hatte er sich inzwischen eine ganze Reihe von Kunstgriffen, Verkleidungen und Pseudonymen zugelegt. Er beherrschte perfekt den »Pfandleiher-Schwindel« (etwas kompliziert, doch letztlich sehr lohnend),
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