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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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Gedanke daran vor Aufregung schaudern. »Hier auf der Nordseite sind alle so höflich«, erklärte er. »Zumindest tun sie so als ob. Die Damen lassen ihre Sonnenschirme kreisen und prahlen mit ihren neuen Kleidern. Die Männer verbeugen sich lächelnd und machen langweilige Konversation. Aber das ist alles nur Getue. Sie meinen doch kein Wort davon ernst.«
    »Da ist wohl etwas Wahres dran«, murmelte der Vater.
    »Aber drüben über dem Fluss!«, schwärmte Hector. »Es ist nicht so, dass die Leute einfach nur anders aussehen, es ist die Art, wie es dort zugeht: lebendig, irgendwie unheimlich, aber auch spannend. Auf unserer Seite des Foedus scheint das Leben manchmal wie abgestorben.«
    Jetzt sah Augustus erschrocken auf. Er senkte die Stimme und wurde ernst.
    »Hector, lass dich da nicht hineinziehen. Die Südstadt mag dir verlockend, aufregend und ungewöhnlich vorkommen – aber sie ist gemein, niederträchtig. Jedes Laster, das die Menschheit kennt, ist auf ihren Straßen zu Hause. Der Ort ist verdorben bis ins Mark und von Alkoholikern, Halunken und armen Teufeln bevölkert. Um mich deutlicher auszudrücken, ich verbiete dir, dort noch einmal hinzugehen.«
    Hector war enttäuscht und sein Vater senkte sogleich die Stimme. »Deine Zukunft liegt auf dieser Seite, mein Sohn. Ich habe eine Stelle für dich im Geschäft.«
    »Als Weinhändler?«, sagte Hector zerknirscht. »Aber ich will kein …«
    Augustus legte ihm die Hand auf die Schulter und lächelte. »Vergiss nicht, dass wir gut vom Weinhandel leben. Er hat uns unseren ganzen Reichtum eingebracht. Wenn du das Geschäft nicht übernimmst, wer dann?«
    Das Schlagen der Uhr im Arbeitszimmer unterbrach das ausgedehnte Schweigen zwischen Vater und Sohn. Jeder war auf seine Weise enttäuscht. Hector musterte seinen Vater noch einmal nachdenklich. Er bezweifelte, dass sein eigenwilliger Gang über die Brücke der einzige Grund für dessen Ärger und Besorgnis war, und wechselte das Thema.
    »Hast du vor dem Schlafengehen noch ein Rätsel für mich?«, fragte er. Es war ein Spiel, das sie jeden Abend spielten. »Du bist an der Reihe.«
    Augustus’ Stirn glättete sich. »Allerdings, und zwar ein kniffliges. Es heißt kig.«
    »Kig?«, fragte Hector stirnrunzelnd.
    »Kig. Schlicht und einfach kig«, wiederholte Augustus. »Kommst du auf die Lösung?«
    »Hm«, überlegte Hector. »Drei einzelne Buchstaben. Kann sein, dass sie ihre Nachbarbuchstaben verloren haben.« An der Miene seines Vaters sah Hector, dass er auf der richtigen Spur war. »Aber wie konnte es dazu kommen?«, riet er weiter. »Vielleicht stammen sie einfach aus einem Wort, das so geschrumpft ist, dass am Ende nur noch ›kig‹ übrig geblieben ist?«
    Sein Vater zog eine Grimasse und Hector erklärte mit breitem Grinsen: »Zum Beispiel könnte dieses Wort kundig sein!«
    Augustus applaudierte lachend. »Kein Zweifel, Hector, du bist ungewöhnlich schlau«, sagte er. »Ich weiß, dass eine große Zukunft vor dir liegt.«
    »Aber muss ich denn wirklich Weinhändler werden?«
    »Kein Aber mehr.« Augustus drohte scherzhaft mit dem Finger. »Ab ins Bett jetzt. Ich habe noch eine Verabredung.«
    Hector zog die Augenbrauen hoch. »So spät?«
    »Manchmal muss das sein«, sagte sein Vater vage. »Na, komm, ich begleite dich noch bis zur Treppe.«

Kapitel 4

    Ein unwillkommener Besucher
    H
ector hockte sich auf den oberen Treppenabsatz und sah seinen Vater ins Arbeitszimmer zurückkehren. Von hier aus konnte er gut beobachten, was unten vor sich ging, ohne selbst gesehen zu werden. Er war neugierig auf den späten Besucher. Bestimmt hatte diese Verabredung etwas mit der sonderbaren Stimmung seines Vaters zu tun.
    Er hörte den Schlag des Türklopfers, und mit den scharfen Augen eines jungen Menschen sah er, wie das Dienstmädchen einen Mann in Schwarz durch die Eingangsdiele zum Arbeitszimmer führte. Von der Art, wie sich jemand kleidet, lässt sich allerhand über eine Person aussagen, in diesem Fall aber fand Hector es erstaunlich schwer, viel von dem Mann dort unten zu erraten. Sein ganzes Äußeres war auffallend unauffällig. Die Kleider saßen gut, waren aber dunkel wie die Nacht und schienen jeden Lichtstrahl aufzusaugen. Sein breitkrempiger Hut war tief in die Stirn gezogen, außerdem hielt er den Kopf gesenkt.
    »Hmmm«, machte Hector nachdenklich. »Wie seltsam.« Mit der Kleidung der Wohlhabenden kannte er sich aus, da in diesem Haus nur Wohlhabende verkehrten. Dieser Fremde gab jedoch
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