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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
Autoren: Peter Orullian
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erneut. »Ihr entscheidet nicht über mich! Das Grundprinzip der Charta ist das Recht der freien Entscheidung! Ihr werdet es nicht wagen, euch über jene Wahrheiten zu erheben, denen die Gestaltung allen Lebens unterliegt. Ewige Wahrheiten, die sich nicht verbiegen werden, um eurer Bequemlichkeit oder euren Absichten entgegenzukommen. Entweder seid ihr diesen Prinzipien in ausnahmslos jedem Falle treu« – bei diesen Worten verzogen sich seine Lippen zu einem höhnischen Lächeln –, »oder ihr gebt sie auf und räumt mir das Recht ein, Ordnung zu erzwingen und das zu beanspruchen, was in meiner Macht liegt. Entweder bleiben diese Wahrheiten unantastbar, oder aber ihr leugnet sie und beweist damit, dass meine Arbeit richtig ist.«
    Bei seinen Worten zitterte die Erde erneut, und der Marmorboden ächzte und bebte, bis er aufsprang und sich Risse durch die glänzende Fläche zogen. Maldaeas hitzige Herausforderung stieg an den kannelierten Säulen empor, rüttelte am Gestein und schoss in den Himmel, wobei sie alles verzerrte und verfärbte, was sie berührte. Granitsplitter regneten herab und klirrten auf den Boden. Ein Geruch nach Staub und von Hitze gesprengtem Stein breitete sich aus.
    Dossolum gab seinen förmlichen Tonfall auf, und glühende Empörung befeuerte seine Worte. »Quietus!«, brüllte er. »Fortan und auf ewig sollst du diesen Namen tragen! Für dich ist kein Platz mehr unter uns! Du bist abgesetzt und verstoßen! Auf deiner Zunge liegt für immer der Geschmack von Tod und Hoffnungslosigkeit, die du mit solchem Vergnügen anderen gebracht hast.«
    Während Dossolum sprach, wirbelten Granitbrocken auf, schossen in die Luft empor und fügten sich wieder an ihre Plätze in den Mauern und Säulen ein, um damit zu einem unversehrten Ganzen zu verschmelzen. Der Boden reckte sich, als gähnte er, und ließ sich von Neuem als glänzende Fläche nieder. Und ein Wind toste gen Himmel hinauf, als wollte er Quietus’ verbitterte Worte packen und mit sich emporreißen.
    »Du wirst fortan nach dem einfachen Gesetz der Konsequenz leben, das deiner höhnischen Rede so offenkundig fehlt.« Dossolums Worte nahmen wieder Rhythmus und Autorität an. »Das ist ein Teil der Charta. Du wirst für die Entscheidungen, die du wissentlich triffst, zur Rechenschaft gezogen.«
    Quietus zitterte vor boshafter Wut. Sie bedurfte keiner Worte, denn sein bebender Körper strahlte Hass aus, der sich in Wogen verbreitete und die sichtbare Welt besudelte. Wie ein Grabtuch erstickte das Schweigen den Klang von Dossolums Worten und trübte das Licht im Tabernakel. Es kroch hervor wie ein Verderben bringendes Gebet von unheiligen Lippen, und dennoch sprach der Eine kein Wort.
    Dann schließlich antwortete er mit bloßem Flüstern: »Wenn ihr euch nicht eines Besseren besinnt, werde ich mich für alle Zeit gegen euch stellen. Durch meine lange, harte Arbeit bin ich so kundig und geschickt im Lenken des Willens geworden wie kein anderer unter euch.« Quietus hob die zur Schale geformten Hände, als hielte er seine gewaltige Gabe darin, um seine Worte zu unterstreichen. »Ich werde alles daransetzen, meine Geschöpfe um mich zu scharen und diese Welt zu quälen, bis jedes Tabernakel dasselbe Ende findet wie dieses.« Er wies zum Himmelsgewölbe des Saals, ohne den harten Blick zu erheben. »Bis jede Vereinigung von Geist und Materie verdorben ist und in dem Grab versinkt, das ihr mir bereitet.«
    Unter so konzentrierter Verachtung begann Stein zu weinen, Wandbehänge stöhnten, und Bücher auf der Tafel des Rates seufzten vor erschöpfter Hoffnungslosigkeit. Der lebendige Geist in allen Dingen – die Forda, die aller Materie innewohnte – protestierte gegen die Stille, flehte um Erlösung. Der Himmel selbst zog sich zurück, Licht und Farbe flohen und überließen die Welt der endlosen Weite des Alls. Nur gleichgültig funkelnde Sterne erhellten das Tabernakel und verliehen dem Rat die Anmutung vergessener Statuen.
    Irgendwo im Schatten lächelte Quietus.
    Dossolum streckte die Hände aus, doch statt sie mit einer schöpfenden Bewegung vor sich zu heben, richtete er die fla chen Hände zur Erde. Er starrte ins Halbdunkel und verkündete das Urteil über Quietus: »Weiß sollst du sein.«
    Die Dunkelheit waberte, Schatten und Kanten verschwammen, als betrachte man sie durch gewelltes Glas. Ein Gefühl der Überraschung schlug sogleich in eine Verachtung um, die an der Existenz von Ars und Arsa selbst zu rütteln begann. Einen Augenblick
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