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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme
Autoren: Julia Krohn
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sei eine Strafe Gottes für die Menschen dort, vor allem aber eine Strafe für den Grafen Lambert. Er hat die Normannen eingeladen, weil er mit ihrer Hilfe Nantes erobern wollte.« Er hielte inne, schüttelte kurz den Kopf. Unvorstellbar,dass ein Getaufter einen Pakt mit den wilden Heiden aus dem Norden schloss! »Aber nie«, setzte er rasch hinzu, »nie würden sie hierher nach Laon kommen.«
    Audacer zuckte die Schultern. Die Erschütterung des Grafen, dass die Ordnung der Welt, so wie sie ein Mann Gottes erklärte, womöglich nicht galt, erreichte ihn nicht. »Nun, wir wissen nicht, woher diese Frau stammt. Sie sieht aus, als wäre sie tagelang unterwegs gewesen.«
    »Mein Gott«, entfuhr es dem Grafen. Er gab der aufsteigenden Panik ohne Rücksicht auf die Frauen nach. »Wenn sie tatsächlich bis nach Laon kommen, dann ist das nicht nur die Strafe für die gottlosen Taten des Grafen Lambert, sondern auch für den unheiligen Bruderkrieg!«
    Audacer seufzte. »Es ist nicht die Strafe, sondern die Folge. König Karl hat sämtliche Truppen für den Krieg gegen seinen Bruder Lothar gebraucht. Kein Wunder, dass er keine mehr hat, um sein Land gegen … gegen die Normannen zu verteidigen.«
    Getuschel brandete wieder auf, während der Graf seine Hände gegen die Schläfen presste. Er hatte die Ereignisse der letzten Monate mit Besorgnis beobachtet, doch nie hatte er sie in Zusammenhang mit den fürchterlichen Kriegern aus dem Norden gebracht. Von jenen wusste man, dass sie manches Kloster in Küstennähe überfielen, Schätze raubten und Gefangene nahmen, um sie entweder zu töten oder teuer freikaufen zu lassen. Doch dass sie tiefer in das Land vordringen würden, hatte er sich nicht vorstellen können. Schlimm genug, dass die Francia von König Karls machthungrigem Bruder Lothar bedroht gewesen war und jener das Land überfallen hatte. Zwar hatten sowohl König Karl als auch sein Bruder Ludwig, der die Germania beherrschte, sich jenem Streben nach Alleinherrschaft widersetzt, ihm den Krieg erklärt – und ihn gewonnen. Doch die Entscheidungsschlacht bei Fontenoy war ein schreckliches Blutbad gewesen, das auf allen Seiten Opfer gekostet hatte. Nie zuvor waren so viele Krieger in einer Schlacht gefallen.
    »Selbst wenn sie hierher kommen«, sprach Audacer indessen, »bedenkt, dass Laon auf den Mauern eines römischen Castrum errichtet ist. Es ist uneinnehmbar!«
    Der Graf achtete nicht auf ihn. »Bitte«, sagte er leise zu der verletzten Frau und versuchte, ihren Wunden keine Aufmerksamkeit zu schenken, »bitte sag, woher du stammst! Wir müssen es wissen, um uns gegen einen Angriff der Normannen zu schützen. Es waren doch Normannen, die dein Dorf überfallen haben?«
    Die Frau rührte sich nicht; sie hatte aufgehört zu zittern. Indes trat Alpais zu ihrem Mann und legte ihm die Hand auf den Arm. »Quäl sie doch nicht«, murmelte sie. »Sie hat mir vorhin alles erzählt. Ihre … ihre ganze Familie wurde ausgerottet, das Dorf verbrannt. Für sie zählt, was sie verloren hat, nicht, wer es tat.«
    Der Graf schüttelte Alpais ab und beugte sich zu der Frau. »In welche Richtung sind sie danach gezogen?«, fragte er eindringlich. Er schrie beinahe.
    Die Frau blickte auf, und erstmals deuchte ihn ihr Blick nicht nur von Grauen erfüllt, sondern wach. Sie zuckte die Schultern – eine Regung, die ihr unendliche Schmerzen zu bereiten schien, denn ihr Gesicht verzerrte sich, und sie griff nach den übervollen Brüsten. Der Graf blickte auf die sämige weiße Flüssigkeit, die von deren Spitzen tropfte und durch ihr zerfetztes Kleid drang.
    »Wo ist dein Kind?«, fragte er. »Wo ist dein Kind? Du hast doch eben erst geboren!«
    »Nicht …«, stammelte sie. »Sprecht es nicht aus!« Sie presste ihre Hände auf die Brüste, sodass noch mehr Milch hervorquoll.
    »Du musst es mir sagen«, drängte der Graf. »Du musst mir berichten, was geschehen ist. Es ist wichtig, hörst du?«
    Die Frau schluchzte auf, und gleichwohl dieser Ton nicht minder durch Mark und Bein ging als all ihre Worte, klang er doch erstmals menschlich. Sie richtete sich auf.
    »Mein Name …«, stammelte sie, »mein Name ist Johanna.«
     
    Es war edel, alles so unglaublich edel.
    Sie wusste, dass es falsch war, dergleichen zu bestaunen und sich darüber Gedanken zu machen. Zumindest jetzt, da sie wiederwusste, wie sie hieß, und da der Graf verzweifelt darauf drang zu erfahren, was ihr zugestoßen war.
    Doch sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren,
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