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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe
Autoren: Anne Rice
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erzählen, der es empfangen hat», sagte Margon und lächelte geheimnisvoll.
    «Wer soll das sein?», fragte Stuart und sah abwechselnd Felix und Thibault an.
    Thibault lachte leise, und Felix sagte: «Denk lieber darüber nach, was du bis jetzt gelernt hast!»
    «Mach ich», sagte Stuart. «Ganz bestimmt.» Er sah Reuben an und schien zu hoffen, dass der noch einmal nachhaken würde.
    Doch im Gegensatz zu Stuart hatte Reuben begriffen, dass dieses hier nur eines von vielen Gesprächen war, die sie miteinander führen würden, Gespräche, die alle kein Ende haben würden und bei denen jede Antwort zu einer neuen Frage führte.
    «Ihr wisst jetzt, dass wir so alt sind wie die Menschheit selbst», sagte Felix. «Und dass wir letzten Endes kein größeres Mysterium darstellen als diese. Wir sind Teil der universellen Entwicklung, und wie sie im Einzelnen vor sich geht, muss jeder für sich selbst herausfinden.»
    «So ist es», sagte Margon. «Es gibt viele von uns, und es gab Zeiten, als es noch viel, viel mehr gab. Unsterblichkeit bedeutet für uns im Wesentlichen, dass wir nicht altern und nicht krank werden. Es bedeutet nicht, dass wir vor brutaler Gewalt geschützt sind. Insofern sind wir genauso sterblich wie alle anderen.»
    «Wie viele von uns gibt es denn noch?», fragte Stuart.
    Überraschenderweise ging Margon auf diese Frage ein. «Das weiß niemand», sagte er. «Woher sollte man es auch wissen? Aber eins ist gewiss: Andere Morphenkinder stellen für uns keine Gefahr dar, sondern Wissenschaftler wie Klopow und Jaska. Unsere größte Herausforderung im tagtäglichen Überleben ist das Schritthalten mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. In einer Welt, die Familienbeziehungen durch DNA -Analysen bestimmt, sind Kreaturen suspekt, die nicht auf Vater und Mutter zurückgeführt werden können, sondern einem ganz anderen Schöpfungsakt entstammen. Das bedeutet, wir müssen vorsichtiger denn je sein, wenn wir auf die Jagd gehen.»
    «Könnt ihr Kinder zeugen?», fragte Laura leise.
    «Ja», sagte Margon. «Aber nur mit einem weiblichen Morphenkind.»
    Laura erschrak sichtlich, genau wie Reuben. Plötzlich war ihm klar, warum er sich so sicher gewesen war, Laura nicht schwängern zu können. Dann stimmte es also wirklich.
    «Ein weibliches Morphenkind kann also ein Kind austragen?», fragte Laura.
    «Ja. Der Nachwuchs ist fast immer ein Morphenkind, aber es gibt auch Fehlgeburten. Allerdings gibt es nur wenige fruchtbare Morphenpaare.»
    «Fehlgeburten …», flüsterte Laura ganz entsetzt.
    «Deswegen bleiben weibliche Morphenkinder oft unter sich», sagte Felix. «Genau wie die männlichen.»
    Thibault nickte. «Morphenkinder werden extrem selten geboren. Ich kenne nur fünf.»
    «Und wie sind sie so?», fragte Stuart.
    «Zuerst sind es ganz normale Menschenkinder», sagte Margon. «Erst mit Beginn der Pubertät entwickeln sie die Fähigkeit zur Verwandlung. Sobald sie ausgewachsen sind, werden sie nicht älter. Das Gleiche passiert mit Kindern, denen man das Chrisam überträgt.»
    «Dann wachse ich also noch ein paar Jahre weiter», sagte Stuart.
    «Ganz bestimmt», sagte Margon und verdrehte die Augen.
    Felix und Thibault lachten.
    «Es wäre sehr rücksichtsvoll von dir, nicht mehr allzu sehr zu wachsen», sagte Felix. «Ich finde es sehr irritierend, zu deinen blauen Kinderaugen aufschauen zu müssen.»
    Stuart lachte vergnügt.
    «Du entwickelst dich ganz normal weiter, bis du ausgewachsen bist», sagte Margon. «Dann bleibst du für immer, wie du bist.»
    Laura seufzte und sagte: «Etwas Schöneres kann man sich eigentlich nicht wünschen.»
    «Das stimmt», sagte Reuben, noch ganz mit dem Gedanken beschäftigt, dass er keine normalen Kinder zeugen konnte.
    «Und was die anderen angeht …», sagte Felix zu Margon. «Früher oder später sollten wir den jungen Leuten sagen, was wir über sie wissen, meinst du nicht?»
    «Was denn?», fragte Margon zurück. «Dass sie oft unfreundliche Einzelgänger sind? Oder auch in kleinen Gruppen auftreten, wie Wolfsrudel? Dass sie sich anderen Morphenkindern höchst selten zeigen? Was gäbe es sonst über sie zu sagen?»
    «Eine Menge», sagte Felix. «Und du weißt es.»
    Es gibt so viel, was sie nicht sagen oder zugeben wollen, dachte Reuben. Er fragte sich, wie viel sie wohl zurückhielten, wagte aber nicht, danach zu fragen.
    «Wie funktioniert eigentlich dieses Chrisam?», fragte Stuart in die Stille hinein.
    «Ganz unterschiedlich», sagte Felix. «Je nachdem,
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