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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe
Autoren: Anne Rice
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im Wald spazieren, machte Besorgungen oder sah sich einen Film an.
    Reubens komplette Familie sowie Celeste, Mort Keller und Dr. Cutler kamen zu Thanksgiving nach Mendocino und nahmen mit Reuben, Laura, Stuart und den vornehmen Gentlemen das Festmahl ein. Diese Zusammenkunft war das beste Beispiel dafür, was Margon meinte, wenn er immer wieder sagte, dass sie in beiden Welten zu Hause sein mussten, wenn sie überleben wollten.
    Frank überraschte Reuben und seine Familie nach dem Essen mit brillantem Klavierspiel. Er begann mit Satie, ging zu Chopin über und intonierte schließlich eigene Kompositionen.
    Anschließend zog er Jim, der den ganzen Abend missmutig und verschlossen dagesessen hatte, ins Gespräch, der sichtlich aufblühte und sich am Ende sogar selbst an den Flügel setzte und etwas spielte, das er komponiert hatte, bevor er dem Priesterseminar beigetreten war – ein vertontes Rilke-Gedicht. Es war ein melancholisches Lied, und es schmerzte Reuben, es zu hören. Nur er wusste, was Jim wusste. Von den Gästen war er der Einzige, der wusste, wer die vornehmen Gentlemen wirklich waren und was mit Stuart und Reuben passiert war.
    Die Brüder mieden das Gespräch, sodass Reuben sich ihm nur nahefühlte, als er im Kerzenlicht des Musikzimmers dieses traurige Lied spielte. Reuben schämte sich dafür, ihn mit all seinen Geheimnissen belastet zu haben, und wusste nicht, wie er ihm Erleichterung verschaffen sollte.
    Grace schien sich in dieser Gesellschaft wohl zu fühlen, aber die Mutter-Sohn-Beziehung hatte sich verändert. Grace versuchte nicht mehr herauszufinden, was mit Reuben passiert war, sondern schien sich eine plausible Erklärung dafür zurechtgelegt zu haben. Trotzdem lag ein Schatten über Mutter und Sohn. Reuben versuchte die alte Vertrautheit herzustellen, und ein oberflächlicher Beobachter hätte vielleicht sogar den Eindruck gehabt, dass es ihm gelang. Aber das täuschte. Reuben merkte, dass seine Mutter verunsichert war und ihre wohlgeordnete Welt gefährdet sah, aber darüber wollte sie nicht sprechen.
    Celeste und Mort genossen das Fest in vollen Zügen. Das hielt Celeste aber nicht davon ab, Reuben immer wieder vorzuhalten, dass es für einen jungen Mann nicht ratsam sei, «Ruhe und Abgeschiedenheit» zu suchen. Mit Mort machte Reuben einen Spaziergang im Eichenwald, wo sie über Bücher und Lyrik sprachen, die sie beide liebten. Am Ende übergab Mort ihm seine Dissertation zum Gegenlesen.
    Nach Thanksgiving wurde der Flügel in die Diele gebracht. Nahe der Tür zum Wintergarten war der ideale Platz dafür. Das ehemalige Musikzimmer wurde zum Fernsehzimmer mit bequemen weißen Ledersofas und Sesseln, sodass alle zusammen sich dort Filme ansehen konnten.
    Reuben begann ein Buch zu schreiben – keine Autobiographie, sondern einen Roman, in den er allerdings viel eigene Erfahrungen und Beobachtungen einfließen ließ. Dazu gehörte auch seine Überzeugung, dass der Mensch nur dann zu fundamentalen Einsichten gelangen konnte, wenn er die Natur genau beobachtete.
    Das verfallene Gästehaus auf den Klippen, das Reuben bei seinem Spaziergang mit Marchent zum ersten Mal gesehen hatte, wurde für Phil restauriert und renoviert. Felix übernahm die Kosten und sagte Galton, er solle keine Ausgaben scheuen. Galton war es geradezu unheimlich, wie sehr Felix seinem verstorbenen Vater ähnelte, aber er war wild entschlossen, allen Herren von Kap Nideck zur vollsten Zufriedenheit zu dienen.
    Auch im Dorf stellte sich Felix als Sohn des verstorbenen Felix Nideck vor und bewahrte den Gasthof mit großzügigen Investitionen vor dem Verkauf. Er kaufte auch die leerstehenden Geschäfte, um sie an diverse Händler zu verpachten. Reuben erklärte er, wie wichtig es für die Besitzer von Kap Nideck war, für das Wohlergehen des Dorfs und seiner Bewohner zu sorgen. Das Dorf war von Ländereien umgeben, die man für unterschiedliche Zwecke entwickeln konnte. Felix hatte dafür bereits Pläne gemacht.
    Er überraschte Reuben immer wieder, zum Beispiel, als er bewundernd über Großvater Spangler sprach, Grace’ Vater, der im vergangenen Jahrhundert mit Weitsicht und Menschenliebe wunderbare Wohnanlagen geplant habe. Zusammen sahen sie sich die einschlägigen Webseiten an und beschäftigten sich mit seinem Werk.
    Reuben fragte, wem das Land um das Dorf gehörte, und Felix sagte, es gehöre ihm, allerdings unter anderem Namen.
    Als sie beim Dorfbürgermeister zum Essen eingeladen waren, konnten sie ihm berichten,
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