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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe
Autoren: Anne Rice
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dass sie übers Internet einen Tuchhändler gefunden hatten, der in der Hauptstraße gern einen Laden eröffnen wollte, ebenso einen Buchhändler und eine Frau, die alte Puppen und historisches Spielzeug verkaufte.
    «Nicht gerade die Gründung einer neuen Metropole», sagte Felix. «Aber es ist ein guter Anfang.» Und das stimmte, zumal er dem Wunsch der Bevölkerung nach einer kleinen Bibliothek und einem Kino aus eigener Tasche Rechnung trug.
    Je weiter die Mythenbildung bezüglich des Wolfsmenschen fortschritt, desto mehr blühte der Handel mit Fanartikeln wie T-Shirts, Kaffeebechern und vielem mehr. In San Francisco boten Touristikveranstalter Wolfsmensch-Touren an, und Wolfsmensch-Kostüme fanden sich an jeder Ecke. Ein Busunternehmer wollte sogar Touren nach Kap Nideck unternehmen, was Reuben aber kategorisch ablehnte. Daraufhin wurde die südliche Grundstücksgrenze zum ersten Mal eingezäunt.
    Für Billie schrieb Reuben zwei längere Artikel über den Werwolf in Geschichte und Literatur und Bildnisse des Werwolfs damals und heute.
    Abends ging er mit Felix im Wald auf die Jagd. Dabei drangen sie Stück für Stück immer weiter nach Norden vor, ins Humboldt County, wo sie Wildschweine und einmal eine große Wildkatze erbeuteten.
    Zweimal kamen Margon und Stuart mit. Stuart liebte die Jagd und wollte alles darüber lernen. Auch auf den Klippen am Meer hätte er gern gejagt, aber das verbot Margon ihm. Trotz seiner Strenge hatte Margon den jungen Wolf sehr gern, und wenn sie sich miteinander unterhielten, stellte Margon ihm inzwischen mindestens genauso viele Fragen über die moderne Welt wie Stuart ihm über die alte.
    Margon zog vom hinteren Teil des Hauses in den vorderen, um näher bei Stuart zu sein, und die Gespräche der beiden waren bis spät in die Nacht zu hören. Nur über Kleidungsfragen gerieten sie immer wieder in Streit, aber als sie schließlich zusammen einkaufen gingen, kehrten sie mit Jeans und Polohemden für Margon und einem dreiteiligen Anzug mit passenden Oberhemden für Stuart zurück.
    Aus Europa reiste Personal an, darunter ein ernster Franzose, der schon früher Margons persönlicher Diener gewesen war, und eine fröhliche Köchin aus England, die hervorragend backen konnte und nebenher noch putzte. Thibault sagte, das sei erst der Anfang, es werde noch mehr Personal kommen.
    Noch vor Thanksgiving hörte Reuben die anderen zufällig von einem Privatflughafen nahe Fort Bragg sprechen, den sie benutzen, wenn sie zu entlegeneren Jagdgründen wollten. Das interessierte ihn ebenso sehr wie Stuart, aber beide wagten nicht zu fragen, was es damit auf sich hatte.
    Stuart entpuppte sich als fleißiger Schüler und lernte alles, was die Literatur über Werwölfe zu bieten hatte. Er befasste sich aber auch mit Geschichte und Biologie (unter besonderer Berücksichtigung der Evolution), Zivil- und Strafrecht, Anatomie und Endokrinologie, Archäologie und dem europäischen Film.
    Oft zogen sich die vornehmen Gentlemen in die Geheimkammer zurück, das Allerheiligste, wie sie es nannten. Dort beschäftigten sie sich mit den antiken Tontafeln, die sie in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen versuchten. Allein schon wegen dieser Tontafeln waren sie nicht erpicht darauf, noch einmal umzuziehen.
    Felix verbrachte viel Zeit damit, seine Bildergalerien und Bibliotheken zu ordnen. Oft war er auch auf dem Dachboden über dem großen Schlafzimmer, um an genau dem Ort zu lesen, wo Reuben das Buch von Teilhard de Chardin gefunden hatte.
    Als Reubens Familie nach Thanksgiving wieder abgereist war, fuhr Laura für ein paar Tage in ihr kleines Haus in den Muir Woods. Reuben wäre gern mitgekommen, aber sie sagte, sie müsse ein wenig allein sein und unter anderem den Friedhof besuchen, wo ihre Eltern, ihre Schwester und Tochter begraben waren. Wenn sie zurückkehrte, sagte sie, werde sie wissen, wie ihre Zukunft aussehen solle, und es Reuben umgehend mitteilen.
    Er fand die Wartezeit nahezu unerträglich und war mehr als einmal in Versuchung, ihr nachzufahren und sie heimlich zu beobachten. Doch er wusste, dass es vernünftig war, wenn Laura sich die Zeit nahm, die sie brauchte. Also zwang er sich, geduldig zu warten, und rief sie nicht einmal an.
    Eines Tages luden die vornehmen Gentlemen die jungen Wölfe zu einem Flug nach Mexiko ein, um in Juárez, gleich hinter der texanischen Grenze, jagen zu gehen.
    Da sie dort nicht im Wald verborgen sein würden, mussten sie sich mit Kapuzenshirts, weiten Regenmänteln
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